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Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)

Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)

Titel: Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
Autoren: Ida Ding
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kommen könnten, mit einer Chance von eins zu zwanzig oder dreißig oder hundert, wenn ich die Hundertschaft einberechne. «Besser die Polizei entscheidet, was zu tun ist. Von selbst wird der Wickerl nicht auf die Spieße gefallen sein, da hat wer nachgeholfen.»
    Mit den Klageweibern im Gleichklang stöhnen sie auf, als ich das ausspreche. Dann dauert es eine Weile, bis der Bene weiß, wie er sein Handy streicheln muss, damit es funkt. Ich hab alle Hände voll zu tun, die anderen abzuhalten, nicht noch einmal selbst nach dem Wickerl zu sehen.
    «Wirklich durch und durch sind ihm die Spieße?», fragt die Melcher Manuela, unsere Dorfchronistin, und ich sehe schon, wie es hinter ihren Stirnfalten scheppert. Wahrscheinlich überlegt sie, wie sie das im nächsten Gemeindeboten ausschmücken kann.
    «Ihr knotet mir ein paar Schnüre zusammen», fordere ich sie auf. Wer was tut, der kommt nicht ins Grübeln und dem wird’s auch nicht schlecht. Ich schalte den Tiger aus, den ich in der Eile angelassen hab, und hole die blauen, mäusefesten Schnüre aus meiner Werkzeugkiste neben meinem Sitz. Diese Schnüre schneide ich immer von den Heuballen ab und hebe sie auf. Ein Auto abschleppen, einen bissigen Köter zähmen, einen Bienenschwarm einfangen, ein Radio reparieren, einen Schnellkochtopf beruhigen, ein zerrissenes Schuhband ersetzen. Es gibt ständig was zusammenzuknüpfen, deshalb hab ich stets ein, zwei Schnüre in der hinteren Hosentasche stecken, aber jetzt brauchen wir mehr als nur ein paar. Ich bitte die Textilstubenzwillinge als Handarbeitsfachverkäuferinnen und alle anderen, die ihre Finger noch krümmen können, die langen Dinger wieder zu einer einzigen langen Schnur zu verbinden, damit ich den Tatort absperren kann und mir keiner weiter herumstöbert. Das hab ich von der Sophie gelernt. Aber bis die aus Fürstenfeldbruck über die Buckel und Kreisverkehre nach Pöcking findet, sonnt sich der Mörder in seiner neuen Identität vielleicht schon auf der Roseninsel oder wie die Inseln woanders heißen. Deshalb sichere ich mal besser die Spuren.
    «Und wenn’s doch ein Unfall war?» Der Rossi als ehemaliger Koordinator der Münchner S-Bahn, der wegen seiner Multiplen Sklerose im Rollstuhl sitzt, meldet sich zu Wort, und sogar die zwei ökumenischen Klageweiber verstummen vor Neugier. «Ich meine, da gibt’s die merkwürdigsten Sachen.»
    Der Melcher Sepp, der die Werbe-T-Shirts der Brauerei aufträgt, in der er sich bis zu seiner Pensionierung aus beruflichen Gründen um Hopfen und Malz gekümmert hat (jetzt tut er’s nur noch privat), weiß auch was dazu. «Ein Bekannter von mir hat beim Angeln gegähnt und einen Hecht verschluckt, der ihm direkt in den Schlund gehüpft ist. Exitus.» Er breitet die Arme aus und zeigt die Größe des Fisches.
    Ich fühle mich ein bisschen wie in Fidls Kalenderblättern, denn jetzt erzählen sie sich alle gegenseitig solche Gruselgeschichten.
    Eine Weile höre ich zu. «Hat einer von euch irgendwas gesehen?», unterbreche ich schließlich, als sich die Geschehnisse auf die Bekannten der Bekannten, also praktisch Unbekannten, verlagern.
    Sie drucksen herum, wollen nicht recht raus mit der Sprache. Ich kenne mich gar nicht mehr aus. Was ist denn nur los mit denen? Als hätten die alle plötzlich ihre Zunge verschluckt.
    «Na gut, wie ihr wollt. Gleich könnt ihr alles der
Polizei
erzählen.» Ich betone Polizei, weil ich mir nicht in meine Familie reinreden lassen will. «Vier Spieße im Leib sind kein Unfall.»
    «Vier? Ja, hast du die gezählt?» Die Pflaum Burgl ergreift das Wort. Ihr Sohn im Fundamt hat vermutlich weiterhin Schwierigkeiten mit dem Fidl, wenn hier nicht endlich was vorwärtsgeht.
    Ich wäge ab. «Fünf könnten es auch sein.» In der Eile und in dem schlechten Licht hab ich nicht so schnell registriert, wo welcher von den Hendlspießen rein- und wo er wieder rausgefahren ist. Trotzdem hat sich das Kreuz-und-quer-Bild in mein Hirn gebrannt.
    «Kommt drauf an, wo und wie die drinstecken», mischt sich der Panscher als Möchtegerndoktor ein. Der mit seinen paar Semestern Medizin seinerzeit! «Unter Umständen lebt der Wickerl noch.» Seit Anfang des Jahres hat er die Apotheke seinem Sohn überschrieben, er hilft nur noch manchmal beim Nachtdienst aus.
    «Der ist mausetot», widerspreche ich. «Kein Glanz mehr auf dem Augapfel, das angetrocknete, hellrote Spuckegerinnsel am Mund, wie bei einem toten Schaf, ich hab’s doch gesehen.» Der Wickerl hat schon in sich
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