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Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)

Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)

Titel: Hendlmord: Ein Starnberger-See-Krimi (German Edition)
Autoren: Ida Ding
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selbst nicht mehr dringesteckt, wirkte so zusammengefallen, ein bisschen wie Dörrobst, so aufgefädelte Zwetschgen. Aber das behalte ich für mich.
    «Schade ist es schon.» Die Melcherin fuchtelt herum.
    «Natürlich ist es schade», pflichte ich ihr bei. «Der Wickerl war ein feiner Kerl.»
    «Ich find’s aber auch schade, dass er die Tausendjahrfeier nicht mehr mitkriegt – da hätt er ein Geschäft gemacht!»
    «Sind es jetzt schon tausend? Letzte Woche waren es noch neunhundert.» Kommenden Sonntag trägt Pöcking seine Esstische auf die Straße und stellt sie zu einer endlos langen Tafel zusammen. Das Dorf lädt jeden ein, der sich dazusetzen mag. Sofort haben die Starnberger das nachgemacht, denn die Kreisstadt schaut gern von ihren Gemeinden ab, so spart sie ihr Hirnschmalz, das sie dann als
Cerveau Égouttement
wieder auf ihrer französischen Woche verkaufen kann. Unter uns, unsere Dorfchronistin hat eine Zahlenschwäche, vor kurzem war Pöcking noch achthundertfünfzig Jahre alt, heute sind es also bereits tausend. Wiener an der Wursttheke abzählen, wo die Melcherin bis zu ihrer Pensionierung noch gearbeitet hat, ist halt doch was anderes als Jahrhunderte überschlagen. Falls sie so weiterrechnet, wird Pöcking oder Peccingen, wie es ursprünglich hieß, das älteste Dorf, womöglich das erste Dorf der Welt überhaupt.
    Vielleicht haben Adam und Eva sich hier kennengelernt. Wenn ich mich so umschaue, gibt es bei uns tatsächlich ein paar Neandertalervisagen, das könnte also durchaus sein.
    «Der Hendlwickerl war doch eh nicht von hier», tröstet der Melcher seine Frau. «Stammt der nicht ursprünglich aus dem Bayerischen Wald?»
    Sie nickt. «Das kann sein, so schlecht wie man den verstanden hat. Aber auch ein Waldler hat eine Chance verdient, bei uns hier im schönen Oberbayern leben zu dürfen.»
    «Die Jugendlichen wird das ebenfalls hart treffen, dass der Wickerl tot ist», ergänzt eine von den Textilstubenzwillingen, die Schwipps Berta, nein, die Erna, die sind sich wie aus dem Gesicht kopiert ähnlich.
    «Psst, sei still», fährt ihr ihre Schwester über den Mund.
    «Du verbietest mir nichts mehr.» Die Erna verschränkt die Arme über der dürren Brust. Auch im hohen Alter betreiben sie noch ihren Laden, einen Flachbau in der Hindenburgstraße, der hat zwar einen überdachten Haupteingang, aber dann gehen rechts und links zwei Türen weg. Die Berta ist für die Stoffe in der linken Ladenhälfte zuständig und die Erna für die Wolle rechts oder umgekehrt, wer weiß das so genau, wenn du sie nicht auseinanderhalten kannst. In ihren tausend Schubfächern bis unter den Plafond findest du alles Mögliche, sogar noch einen RiRi. RiRi für Rippen und Rillen, so hieß der Reißverschluss, als er in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erfunden wurde, wie die beiden mir narrisch stolz erklärt haben. Ab und zu repariere ich ihnen was, seife eine schwergängige Schublade ein oder leime die Tür neu, bei der es immer wieder die Bänder rausreißt, wenn sie mal wieder zu heftig gestritten haben. Dafür kriege ich handgestrickte Socken auf Vorrat, für später, wenn die von meiner Mama endgültig durchgelatscht sind. Obwohl eineiig, stricken und häkeln die Zwillinge nicht nur wie die Weltmeister, sie
hackeln
sich auch ständig. Mir soll’s recht sein, denn dann gibt es für einen Schreiner wie mich immer was zu tun!
    «Von was für Jugendlichen redet ihr?», frage ich. «Pommes frites und Hendl gibt’s doch überall.»
    «Pommes, ja genau.» Die Berta lacht auf und beißt sich sofort auf die Zunge, als die Erna sie so böse anfunkelt, dass ein jeder klein beigeben würde.
    «Jetzt sagt schon. Was ist los? Oder soll es die Polizei aus euch rausquetschen?» Sie verbergen mir was, das spüre ich, und so was kann ich gar nicht leiden. Das hab ich von meiner Mama geerbt. Die hat sogar ihren Schlaf geopfert, wenn rauszufinden war, wer sich von wem hat scheiden lassen oder wie dem Metzger sein Hofhund heißt. Als sie in Gedanken das Alphabet durchgegangen ist, ist sie draufgekommen. Diesen Trick hab ich ihr verraten. Gero, so hieß der Metzgershund, aber das nur nebenbei. Nun ist der Gero noch viel länger unter der Erde als sie.
    «Dein Sohn war auch dabei.» Die Erna jault auf, weil ihr ihre Schwester in die Seite stößt.
    «Der Emil? Wobei? Wann?»
    «Weiß nicht mehr. Bevor der Wickerl den Hendlwagen wieder ankuppelt und weiterfährt, strawanzt allerhand Bagasch herum. Ein paar Burschen sind
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