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Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt

Titel: Helmut Schmidt - Der letzte Raucher seinen Bewunderern erklärt
Autoren: Herder
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Kriegsgeneration ist Helmut Schmidt aus einem anderen, härteren Holz geschnitzt. Weil er sich in die Befindlichkeit späterer Generationen nicht einfühlen will und einfühlen kann, müssen ihm die Generationen der Kohls, Schröders und Merkels geradezu als Weicheier erscheinen. In einem „Bild“-Gespräch 2006 fauchte er: „Ich sehe niemanden in der politischen Generation von heute, der die Tapferkeit besäße, dieses Problem (der Massenarbeitslosigkeit, Anm. M. R.) anzugehen oder auch nur zu erkennen.“
    Tapferkeit! Andere hätten von Mut oder Courage gesprochen. Helmut Schmidt sagt Tapferkeit, denn er denkt – wieder als Angehöriger seiner Generation – in soldatischen Kategorien undwendet sie auf die Politik an. Die achteinhalb Jahre in Uniform im besten Alter, zunächst im Militärdienst und dann als Soldat im Weltkrieg, haben ihn geprägt. Helmut Schmidt kennt – wieder soldatisch gesprochen – keine Gnade, oder im politischen Jargon: keine Nachsicht mit den Nachgeborenen.
    Das Kriegsgehärtete, Metallene seiner Persönlichkeit führt einerseits zu solch lebenslangen Verhärtungen, andererseits verstärkte sie Eigenschaften, für die Helmut Schmidt heute mehr denn je bewundert wird, von Menschen jeden Alters. Gemeint ist seine persönliche Tapferkeit.
    Zu den Texten, die einen Schlüssel zu Helmut Schmidts Persönlichkeit liefern, gehört ein Artikel in der „Zeit“ aus dem Jahr 1983 mit dem Titel „Fürchtet Euch nicht“. Der evangelische Pfarrer und Politiker Heinrich Albertz hatte im Zusammenhang mit dem NATO-Doppelbeschluss das bekannte Bibel-Wort in sein Gegenteil verkehrt und „Fürchtet Euch!“ ausgerufen. Helmut Schmidt, der vermeintliche „Raketen-Kanzler“, erwiderte darauf das „Fürchtet Euch nicht.“
    Helmut Schmidt bekennt, er habe häufig Angst gehabt, wobei er erfahrene Angst meint, in Grenzsituationen erlebte Angst. Erfahrene Angst seiner Generation konnte die Angst vor den Nazis sein, vor dem Bombenhagel alliierter Flieger, vor Hunger und Kälte im Krieg. Erfahrene Angst ist zugleich die Angst um andere Menschen, Helmut Schmidt hatte im Krieg Angst um die ihm unterstellten Kameraden.
    Erfahrene Angst bleibt immer auf den einzelnen Menschen bezogen. Deshalb habe er, Helmut Schmidt, es immer für verboten gehalten, andere mit eigener Angst zu infizieren. „Mit der eigenen Angst andere anzustecken – genau dies geschieht heutzutage in großem Maße.“
    Jemand wie Helmut Schmidt, der Angst existenziell erfahren hat, empfindet keine Angst vor möglichen Ereignissen in der nahen oder fernen Zukunft oder in seinem Fall: keine Angst vor den Gefahren einer „Nachrüstung“, keine vor dem Waldsterben, vor einem zweiten „Tschernobyl“. Und aktuell keine um die Zukunft des Euro. Solchen Entwicklungen ist mit vernünftigem Handelnvorzubeugen. Wenn sie tatsächlich eintreten, braucht es ein entschlossenes Krisenmanagement im jeweiligen Augenblick.
    Vielleicht hängt mit Schmidts Weigerung, sich vor Kommendem zu fürchten, auch zusammen, dass er keine Angst vor dem Tod kennt. „Der Gedanke an den Tod schreckt mich nicht“, sagte Helmut Schmidt im schon zitierten „Bild“-Gespräch.
    Dass ein Mensch mit zunehmendem Alter erklärt, dass ihm Religion „unwichtiger“ wird, dass er sich „heute nicht mehr auf Gott verlassen“ würde; dass er erklärt, niemanden um ein besseres Schicksal zu beneiden; dass er immer wieder schwere, lebensbedrohliche Erkrankungen wegsteckt und sich auch nach dem Tod seiner Frau kaum Trauerzeit gönnt, sondern öffentlich ankündigt, noch „ein paar Jahre“ arbeiten zu wollen – das trotzt den Deutschen hohen Respekt, ja Bewunderung ab.
    Helmut Schmidt analysiert politische und wirtschaftliche Umbrüche klarer als andere – den Anschlag vom 11. September 2001 und die globale Finanzkrise hat er früh vorausgesehen –, doch bleibt sein Bild vom fähigen Politiker auf die eigene Generation und das eigene Beispiel fixiert. Dabei verkörpert Helmut Schmidt ungeachtet der Verehrung, die ihm heute zu Recht in Deutschland und in aller Welt zuteilwird, den Politiker-Typ einer lange vergangenen Zeit.
    Ein Willy Brandt, Herbert Wehner oder Helmut Schmidt konnten und können sich zeitlebens nicht vorstellen, von ihrer politischen Arbeit zu lassen. Helmut Schmidt schreibt und mahnt unvermindert über sein 90. Lebensjahr hinaus. „Ohne Arbeit wäre ich schon lange tot“, sagt er – seine Sorge um Deutschland und die Deutschen, dieses stets verführbare
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