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Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)

Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)

Titel: Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)
Autoren: Josef Kraus
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in der Pädagogik schon lange angekommen, auch wenn man annehmen könnte, ein Kind habe ein Recht auf Nichtexzellenz und Normalität. Weit gefehlt. Wieder müssen bereits Dreijährige dran glauben. Unglaublich, aber wahr: Anfang 2013 wurde in Großbritannien ein Mädchen in den Hochbegabtenclub «Mensa» aufgenommen, weil es angeblich einen IQ von 162 habe und dieser IQ über dem IQ von Albert Einstein (160) und Sigmund Freud (158) liege. Es wurde aber nicht mitgeteilt, wie man bei diesen beiden Herren, die das Zeitliche bereits vor fünf bzw. sieben Jahrzehnten segneten, den IQ eigentlich gemessen hatte.
    Gern wird auch in der Literatur den Eltern suggeriert, dass jedes Kind, auch ein Kind mit Lern- und Leistungsstörungen, ein talentiertes Kind sei. Gerald Hüthers 2011 erschienener Titel «Jedes Kind ist hochbegabt» gehört dazu. Aber vielleicht ist die Sache viel einfacher: Womöglich gibt es deshalb immer mehr Eltern, die an eine Hochbegabung ihres Kindes denken, weil die Schulen in inflationärer Weise Bestnoten vergeben.
    Jeder Mensch will etwas Besonderes sein, verständlicherweise. So wollen sich Eltern abheben und damit auch ihre Kinder. Was als Hyperindividualisierung daherkommt, ist im Grunde jedoch Uniformierung und Konformismus. Man wird sich immer ähnlicher im manischen Willen, sich von anderen zu unterscheiden. Das Ergebnis könnte ein Mensch von der Stange sein: junger Mann, 23 Jahre alt, mit Masterabschluss, mindestens vier Jahren Auslandserfahrung, vier Sprachen fließend sprechend.
    Kaum kann ein Fünfjähriger bis zwanzig zählen oder mehr als seinen Namen schreiben, blinkt ein rotes Licht auf, und Eltern fahnden mittels Checklisten mikroskopisch nach Belegen, um herauszufinden, ob ihr Kind hochbegabt ist. Zum Beispiel findet man auf solchen Listen dann den Hinweis, dass Hochbegabte weniger Schlaf brauchten oder dass es schulisch gescheiterte Hochbegabte gebe. Das ist für viele schon Beweis genug. Andere Eltern interpretieren auffälliges Verhalten bis hin zum Fehlverhalten – pädagogisch korrekt heißt das «verhaltensoriginell» – als Hochbegabtensymptom.
    Ein Wunderkind mit herausragenden Fähigkeiten und Fertigkeiten, zum Beispiel in der Musik oder beim Schachspiel, soll mein Kind sein. Aber: Wunderkinder bringen es später oft nicht sehr weit. Sie sind vom ersten Ruhm oft so satt, dass sie den steinigen Weg, ihr Talent weiterzuentwickeln, offensichtlich nicht mehr beschreiten wollen. Selten wird aus ihnen ein Star in Wissenschaft, Kunst, Musik oder Sport. Und dass das Wunderkind – nach esoterischer Lesart – ein Indigo-Kind besonderer spiritueller Eigenschaften, besonderer «indigoblauer» Aura, mit Mega-IQ sowie höchster Hypersensibilität und Androgynität werde, mag man ihm schon gar nicht wünschen.
    Jedenfalls neigt der Mensch dazu, sich und stellvertretend seine Kinder zu überschätzen. Auch und gerade in akademisch höchsten Kreisen ist das Alltag. Die Zeitschrift Gehirn & Geist berichtete 2012 von einer Untersuchung der Professoren Albert Newen aus Bochum und Gottfried Vosgerau aus Düsseldorf. Danach glauben 94 Prozent der Collegeprofessoren, dass sie ihre Arbeit besser machen als die Kollegen. Zudem nehmen 25 Prozent der Studenten an, zum leistungsfähigsten vordersten Prozent der Studenten zu gehören. Würde man dieselbe Studie unter Schülern, Eltern und Lehrern machen, kämen vermutlich ähnliche Ergebnisse heraus. Und das sollte jedem zu denken geben, der sich oder sein Kind für etwas Besonderes oder gar Außergewöhnliches hält.

Fragwürdiges aus der Hirnforschung
    Hirnforschung ist in. Es hat sie zwar schon seit Jahrhunderten gegeben, und der Begriff «Neuroscience» war bereits 1962 von dem US-Biologen Francis O. Schmitt eingeführt worden, aber so richtig in Schwung gekommen ist diese Wissenschaft zuletzt durch US-Präsident George Bush senior. Dieser hatte die 1990er Jahre zur «Dekade des Gehirns» erklärt. Sein Nachfolger Bill Clinton bzw. dessen First Lady und spätere Außenministerin Hillary Clinton nahmen den Ball auf und luden am 17. April 1997 im Rahmen der Initiative «Rethinking the Brain» zur «White House Conference on Early Childhood Development and Learning». Ziel war es, mit der Neurowissenschaft einen ersten Schritt zur Verbesserung der amerikanischen Schulen zu vollziehen. Größere Fortschritte der modernen Hirnforschung folgten dann aber – gänzlich außerhalb der Pädagogik – erst nach dem Jahr 2000, vor allem aufgrund neuer
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