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Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)

Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)

Titel: Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)
Autoren: Josef Kraus
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Karton nach Hause, heute singt sie zu Mamas Geburtstag statt «Zum Geburtstag viel Glück» «Happy Birthday». Was für ein Fortschritt!
    All dies ist Ausdruck eines übersteigerten, ja als narzisstisch zu bezeichnenden Perfektionismus, der gekennzeichnet ist durch Zwanghaftigkeit, latente Selbstzweifel, Dünnhäutigkeit der Eltern gegenüber kleinsten Versäumnissen. Vor allem aber durch überhöhte Erwartungen. Bloß kein Zeitfenster, kein «Window of Opportunity», versäumen, in dem Kinder geprägt werden könnten oder eben irreversibel nichts lernen, heißt die Devise, die angeblich aus der modernsten Hirnforschung stammt. Darauf werde ich noch näher eingehen (vgl. «Fragwürdiges aus der Hirnforschung»).
    Dabei müsste man manchen Eltern erst einmal sagen, dass sie kleine Kinder und keine kleinen Akademiker im Haus haben. Der Hinweis, es sei ja alles recht und billig, aber es schade wenigstens nicht, ist sehr naiv. Ein Förderzirkus schadet sehr wohl, denn Kindern wird durch eine Rundumverplanung und die Sprunghaftigkeit Konzentration geraubt. Gar nicht so selten landen Kinder, die Förderstress ausgesetzt werden, unter den an Zahl größer werdenden Patienten mit Kopfschmerzen und Stresssymptomen.
    Da kann man nur hoffen, dass eine neue Welle an Brutalförderung nicht nach Deutschland herüberschwappt – die Dressur durch eine Tigermutter. Einen Bestsellerstatus hat das Buch «Die Mutter des Erfolgs: Wie ich meinen Kindern das Siegen beibrachte» («Battle Hymn Of The Tiger Mother») freilich schon erreicht. Die chinesisch-amerikanische Yale-Professorin Amy Chua setzt bei der Erziehung ihrer Töchter auf Zwang und Drill. Sie droht mal mit dem Verbrennen von Stofftieren, mal mit einer Tracht Prügel, mal mit dem Entzug des Abendessens und/oder mit Schlafentzug, um ihre Ziele durchzusetzen. Zu diesen Zielen gehören, dass die stets korrekt gekleideten Kinder bereits im Vorschulalter Geige spielen und eine zweite oder dritte Fremdsprache fließend sprechen. Nicht ganz umsonst wird sie deshalb von Kritikern als «Monster Mom» bezeichnet.
    In ihrem Heimatland ist die Yale-Professorin mit ihrem Drillprogramm auf große Resonanz gestoßen. Eine Rolle spielt dabei wohl die Tatsache, dass China in den USA zur wirtschaftlichen Bedrohung hochstilisiert wurde und wird. Amy Chua hat dies zusätzlich mit der Aussage befördert, dass westliche Kinder trotz der in China praktizierten Dressurpädagogik nicht glücklicher als chinesische Kinder seien.
    Im Vergleich dazu ist der rund hundert Punkte umfassende Katalog «Weltwissen der Siebenjährigen – Wie Kinder die Welt entdecken können» von Donata Elschenbroich ein Spaziergang für Kinder und Eltern. Dieses «Weltwissen» mag eine gutgemeinte und interessante Zusammenstellung sein, die geeignet ist, über den Horizont von Kindern zwischen Geburt und dem siebten Geburtstag zu reflektieren. Trotzdem wurde und wird das Kompendium von manch ehrgeizigen Eltern Punkt für Punkt durchgeackert – bis hin zu so reichlich verschulten Vorschlägen wie: eine fremde Sprache identifizieren, ein Lied in einer fremden Sprache singen, Flüche kennen – in zwei Sprachen –, ein chinesisches Zeichen schreiben, zwei Sternenbilder kennen.
    Wie zu erwarten, hat Elschenbroich mit ihrem Bestseller Nachahmer auf den Plan gerufen. Denn es folgten auf dem Buchmarkt Titel wie «88 Dinge, die Sie mit Ihrem Kind gemacht haben sollten, bevor es auszieht» (2011): zum Beispiel ein zweitausendteiliges Legoboot bauen, eine Geheimsprache erfinden, einen Berg besteigen – «auch wenn Ihr Kind Sie danach eine Woche hasst».
    Dann gibt es noch Titel wie «100 Dinge, die ein Vorschulkind können sollte» (2010), um es fit zu machen für den optimalen Schulstart, oder solche wie «99 Dinge, die Sie unbedingt mal mit Ihren Kindern tun sollten», zum Beispiel einen Matschtag einlegen oder eine Teddybärjagd im Dunkeln veranstalten.
    Solche Listen können bei vernünftiger Anwendung Anregungen darstellen, oft aber sind sie pädagogische Placebos ohne jede Wirkung. Damit sind sie zwar wenigstens nicht schädlich, problematisch an ihnen aber ist, dass Eltern oder professionelle Erzieher solche Listen als Kanon, als Richtschnur, oder gar als Checkliste ansehen, die mit Kindern im Vorschulalter als erfüllt abzuhaken ist.
    Das ultimative Motiv, Kinder besonders fördern zu wollen, entspringt der Einbildung, ein hochbegabtes Kind zu haben. Normal zu sein ist out. Schließlich ist der Begriff der Exzellenz
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