Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
Streichholz. Vermutlich konnte sie sich denken, daß die Unsicherheit bei einem noch nicht ganz Fünfundzwanzigjährigen nicht von der Altersschwäche kam. Ich riskierte einen für meine Verhältnisse ziemlich großen Sprung. »Naturellement«, sagte ich anzüglich, und diesmal klappte es mit dem Feuer. »Vous êtes trop belle, Madame, ça c'est.«
    Es sah aus, als würde sie unwillig. In ihren Augen lichterten Kobaltblitze. Sie hob die Hand, um zum Schlag auszuholen. Aber irgendwie hört eine Frau auch noch aus unberufenem Munde gerne, daß sie schön sei, und so bot sie mir eine Zigarette an.
    »Alain!« rief sie zum zweiten Mal ungeduldig. »Mon mari est un dégôut«, stellte sie fest, aber ich wußte längst, daß der Oberstleutnant, ein hausgemachter Held der Résistance, ein Widerling war.
    Unten im Wagen wartete US Captain Gransmith, und der hochgewachsene Amerikaner war alles andere als frankophil, wenn man von den Besuchen bei seiner Freundin absah. Er leitete eine Dienststelle, die französische Ansprüche an die US Army untersuchte und abwickelte, immer größere Forderungen, als hätten die GIs Marianne nicht befreit, sondern vergewaltigt. Freilich, Besatzungskinder gab es inzwischen genug, und ihre Mütter riefen nach den Vätern, denn diese galten als reich.
    »Pardon, Madame«, trat ich den Rückzug an und erklärte, daß ein amerikanischer Offizier unten im Wagen auf uns warte.
    »Au revoir!« erwiderte die Frau im Morgenmantel freundlich, und ein Wiedersehen war genau der Wunsch, den ich gehabt hätte, wenn ich verrückt gewesen wäre.
    Ich ging nach unten; langsam flaute meine Verwirrung ab. Obwohl die Französin längst verschwunden war, sah ich sie noch immer vor mir, womöglich noch reizvoller. Ihr Duftwasser kannte ich länger als ihren Vornamen. Sie roch angenehm und verführerisch wie die Direktrice einer erstklassigen Parfumerie. Die Vorstellung, die ich mir machte, war seltsam, denn ich gehörte zu einer Generation, bei der es als unmännlich gegolten hatte, wohlriechendes Gesichtswasser zu benutzen. Oder einen Regenschirm zu tragen. Oder Träume zu zeigen.
    Wer weinte, galt als Schlappschwanz.
    Wenn das stimmte, hatte ich schon große Helden als Schwächlinge erlebt.
    Als mich Captain Gransmith allein aus dem Haus kommen sah, flambierte der Zorn sein Gesicht. Der hochdekorierte Offizier war im Zivilberuf Rechtsanwalt und deshalb zu dieser – ihm verhaßten – Dienststelle verschlagen worden. Ein geradliniger Typ, der rasch explodieren konnte, aber sich nie als unfair erwies. Die Schranken zwischen ihm und mir waren mit der Zeit unsichtbar geworden.
    Ich arbeitete nicht nur als sein Fahrer, sondern auch als sein Dolmetscher und mitunter sogar als sein Postillon d'amour. Wie die meisten Amis behauptete der Texaner, unverheiratet zu sein, aber hier traute ich ihm nicht über den Weg. Daß er in letzter Zeit immer häufiger von der Rückkehr in die Staaten sprach, deutete ich als ein Zeichen dafür, daß Mrs. Gransmith im Anzug war.
    »We must wait a few minutes more«, sagte ich. »Lieutenant Colonel Prenelle isn't ready yet«, heizte ich seinen Grimm noch an.
    »Son of a bitch!« schimpfte der Captain.
    Mit »Hundesohn« hatte er sicher nicht mich gemeint. Der Südstaatler war sonst selten ordinär, und irgendwie hielt er auch auf Distanz, im Guten wie im Schlechten, sogar wenn er nicht ganz nüchtern war. Aber wenn er eine Flasche Bourbon entkorkt hatte, machte er keinen Unterschied mehr zwischen einem Sieger und einem Besiegten. Die Flasche schwor uns auf die gleiche Fahne ein.
    Gransmith schielte sehnsüchtig zum Handschuhfach des Wagens, wo immer eine Reiseportion ›Jack Daniels‹ für ihn bereitlag. Unfreiwillig widerstand er der Versuchung: Auf seiner Dienststelle wurde heute ein hohes Tier der US Army erwartet.
    »Mr. Prenelle has a very good looking wife«, stellte ich fest. »She is pretty and sexy.« Um Gransmith das Warten angenehmer zu machen, schilderte ich dem Captain die Vorzüge der schönen Adrienne.
    »Screw her down, Steve!« fuhr er mich an. »Mach sie nieder.«
    Er mußte wirklich außer sich sein.
    Mißlaunig saß er im Fond des Chevy, vom Verkehrsstrom umflutet. Benzin war knapp und rationiert, aber ganz Frankreich fuhr mit schwarzem Sprit aus gestohlenen oder verschobenen US-Beständen. Die Zeit, da man die GIs noch in Scharen auf den Liebesstraßen sah, unter dem Arm eine Stange Zigaretten, in der Hand einen vollen Benzinkanister, war inzwischen weitgehend
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher