Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heldensabbat

Heldensabbat

Titel: Heldensabbat
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
er. »Besser, ich gehe nach Texas zurück und kümmere mich wieder um meinen Zivilberuf und mache Dollars, als daß ich mich mit diesem Prenelle, diesem damned dope, herumärgere. Do you understand?«
    »Yes, Sir«, erwiderte ich.
    Dann kam er zur Sache und erklärte mir, daß er als Abschiedsgeschenk meine Entlassung aus der Gefangenschaft der US Army durchboxen wolle. »Go home, Steve«, riet er mir. »Go back to Mainbach.«
    Ich muß im ersten Moment mehr erschrocken als beglückt gewirkt haben, jedenfalls setzte er hinzu: »Don't be such a fool, Steve.«
    »And what about Bongo?« fragte ich, was mit meinem Gefährten geschehen würde.
    Gransmith versprach, sich auch für Kalles Entlassung stark zu machen, unter der Bedingung, daß ich meine Heimatadresse als seinen Entlassungsort angeben würde.
    Heimatadresse?
    Ein Grab und ein Trümmerhaufen. Und eine Erinnerungsstätte. Hier war ich als kleiner Junge Ministrant gewesen, dann Gymnasiast, Jungzugführer, Erntehelfer, Fußballtrainer der Schulmannschaft, Fähnleinführer, Abiturient, um dann mit achtzehn Arbeitsdienstmann zu werden, Offiziersanwärter, Panzerfahrer, Fähnrich. Für einen vom Jahrgang 1921 waren es vorgezeichnete Stationen gewesen, der Werdegang eines »Idealisten«, den ich mit der Beförderung zum Oberleutnant und Kompaniechef abgeschlossen hatte, aber das war kein Beruf und die Erinnerung kein Ruhekissen. Jedenfalls standen mir in dieser Stunde der Wahrheit Abwehr und Verzweiflung näher als die Domtürme zu Mainbach.
    Der Captain lud mich zum Trinken ein und öffnete eine zweite Flasche. Ich schüttete den Bourbon in mich hinein, bis die Konturen meines anmutigen Geburtsortes verwackelten und schließlich rund wurden, die Altenburg, die alte Hofhaltung, das Böttingerhaus.
    Der nächste Tag, und das hatte mir Captain Gransmith eigentlich sagen wollen, sollte die Beziehungen zwischen Amerikanern und Französinnen propagandistisch aufbessern und die schlechte Presse der GIs korrigieren. Langsam wichen meine Kopfschmerzen, während ich den Cadillac, die Staatskarosse der Dienststelle, wusch und dann Gransmith und drei weitere US-Offiziere in das Zentrum von Paris, zu »La Madeleine«, fuhr. Auch die französischen Verbindungsoffiziere stellten sich, Prenelle ausgenommen, in den Dienst der Demonstration; der Lieutenant-Colonel hatte die Einladung ausgeschlagen, obwohl die einem griechischen Tempel ähnelnde Madeleine-Kirche von Napoleon ursprünglich zum Ruhm der Großen Armee bestimmt gewesen war.
    Die glücklichen Bräute, frisch onduliert, fröhlich plaudernd, standen unter der Kolonnade mit den korinthischen Säulen und posierten vor dem Gottesdienst für die Fotografen: siebzig, achtzig und noch mehr GI-Fiancées in selbstgeschneiderten Sonntagskleidern.
    Sie würden anschließend in Le Havre an Bord gehen; pausenlos verkehrten zur Zeit Family Ships zwischen der Alten und der Neuen Welt und schafften Tausende von Bräuten aus ganz Europa über den Atlantik. In den Zeitungen folgten den Schauer-Stories über das Treiben der GIs nunmehr Rührgeschichten. Der Ruf der US Army sollte aufpoliert und in den Staaten das von Korrespondenten kolportierte Bild von ›Sodom und Gomeuropa‹ verwischt werden.
    Nach dem feierlichen Gottesdienst explodierte im Claim Service am Bois de Boulogne eine Horrornachricht: In Marseille war ein US-Tankwagen mit einem Lastwagen zusammengestoßen. Das Feuer hatte auf ein Munitionsdepot übergegriffen. Die Explosion zerstörte zwei Straßenzüge; es gab viele Tote und Schwerverletzte. Unverzüglich mußte vor Ort geklärt werden, wen die Schuld an der Katastrophe traf. Eine Militärmaschine der US Air Force sollte sofort mit einer amerikanisch-französischen Kommission starten.
    Gransmith bestand darauf, daß Prenelle ihn begleitete. Der französische Offizier rief in seiner Wohnung an und bat seine schöne Frau, ihm einen Koffer mit den nötigen Utensilien zu packen. Gleichzeitig wurde ich losgeschickt, um sein Gepäck in der Avenue de Friedland abzuholen und zum Flughafen Le Bourget zu schaffen. Ich hatte nur etwas über vierzig Minuten Zeit. Es war kaum zu schaffen, und das wußte mein Captain so gut wie ich. Vielleicht wollte Gransmith heute einmal Prenelle einiges heimzahlen.
    Ich fuhr wie der Henker. Die Straßen waren noch verhältnismäßig leer, aber ich brauchte doch vierzehn Minuten.
    Ich klingelte an der Wohnungstüre. Niemand öffnete.
    Ich läutete Sturm.
    Dann hörte ich Schritte.
    Nicht das Mädchen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher