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Held von Garathorm

Held von Garathorm

Titel: Held von Garathorm
Autoren: Michael Moorcock
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hinaus über die Marschen, das sich im Winde wiegende Rohr und die Lagunen. Doch seine Augen sahen nicht die weißen Stiere, die gehörnten Rosse, oder die riesigen scharlachroten Flamingos der Kamarg, statt dessen blickten sie in eine düstere, unendliche Ferne.
    Hawkmoon versuchte, einen Traum - oder vielleicht war es auch eine Wahnvorstellung gewesen? - zurückzurufen. Er bemühte sich, sich an Yisselda zu erinnern und an die Namen der Kinder, die er sich eingebildet hatte, während der Wahnsinn seinen Geist umwölkte.
    Aber Yisselda war nur ein Schatten, und von den Kindern ließ sich nicht die geringste Erinnerung heraufbeschwören. Weshalb nur empfand er diese unbegreifliche Sehnsucht nach ihnen? Warum dieses Gefühl eines unerträglichen Verlusts? Weshalb nährte er manchmal den Gedanken, daß sein jetziges Leben es war, das der Wahnsinn zeichnete, und daß sein Traum - der Traum von Yisselda und den Kindern - die Wirklichkeit gewesen war?
    Hawkmoon verstand sich selbst nicht mehr, und aus diesem Grund legte er auch keinen Wert darauf, mit anderen zusammenzukommen. Er war ein Geist, der durch seine eigenen Gemächer spukte - ein trauriger Geist, der nur seufzen und stöhnen und schluchzen konnte.
    Zumindest war er in seinem Wahnsinn stolz und aufrecht gewesen, murmelten die Bürger, und sein Leben wirklicher als jetzt.
    „Wahnsinnig war er viel glücklicher", sagten die Leute.
    Wäre es Hawkmoon zu Ohren gekommen, er hätte ihnen beigepflichtet.
    Hielt er sich nicht im Turm auf, so war er in dem Raum zu finden, in dem seine Kriegspieltische sich befanden. Hier hatte er Modelle von Städten und Burgen aufgestellt mit Miniaturfiguren. In seinem Wahnsinn hatte er dieses komplexe Spielzeug von Vaiyonn, einem einheimischen Handwerker, bestellt. Um sich immer wieder an den Siegen über die Lords von Granbretanien erfreuen zu können, hatte er zu Vaiyonn gesagt. In Zinn gegossen und bunt bemalt, waren als winzige Figürchen auch Hawkmoon, Herzog von Köln, selbst zu finden, genau wie Graf Brass, Yisselda, Bowgentle, Huillam d'Avere und Oladahn von den Bulgarbergen - die Helden der Kamarg, von denen die meisten ihr Leben in Londra gelassen hatten. Auch die Miniaturfiguren ihrer alten Feinde, der Tierlords, fehlten nicht. Es gab Baron Meliadus in seinem Wolfshelm genauso wie König Huon in seiner Thronkugel, Shenegar Trott, Adaz Promp, Asrovak Mikosevaar und seine Frau, Flana (jetzt die sanftmütige Königin von Granbretanien). Infanterie, Kavallerie und Flieger des Dunklen Imperiums standen den Hütern der Kamarg, den Kriegern der Morgenröte und Soldaten von hundert kleinen Nationen gegenüber.
    Und Dorian Hawkmoon bewegte alle diese winzigen Gestalten über seine riesigen Tische, und probierte mit ihnen tausend Variationen ein und derselben Schlacht aus, um festzustellen, wie ihr Ausgang sich auf die nächste Schlacht ausgewirkt hatte. Oft ruhten seine Finger auch auf den Figuren seiner toten Freunde, am häufigsten auf Yisselda. Wie hätte er sie retten können? Welche Kette von Umständen hätte ihr ein Weiterleben garantiert?
    Manchmal betrat Graf Brass mit besorgtem Blick den Raum. Er strich sich durch das ergrauende rote Haar und beobachtete Hawkmoon, wie er, in seine Miniaturwelt vertieft, hier eine Schwadron Kavallerie vorrückte und dort eine Infanterieeinheit zurückzog. Hawkmoon bemerkte entweder Graf Brass' Anwesenheit nicht, oder er zog es vor, seinen alten Freund zu ignorieren, bis dieser sich räusperte, um auf seine Gegenwart aufmerksam zu machen. Dann sah Hawkmoon mit nach innen gerichtetem Blick und ohne Freude über Graf Brass' Besuch hoch. Woraufhin Graf Brass sich nach seinem Befinden erkundigte und Hawkmoon kurz erwiderte, daß es ihm gutginge. Daraufhin nickte Graf Brass und sagte, das freue ihn. Hawkmoon wartete dann ungeduldig darauf, zu seinem Manöver zurückkehren zu können, während Graf Brass sich im Zimmer umsah und vielleicht eine Schlachtaufstellung betrachtete und eine bestimmte Taktik Hawkmoons bewunderte.
    Dann sagte Graf Brass: „Ich reite heute morgen zu einer Inspektionstour der Türme. Es ist ein herrlicher Tag. Begleitet mich doch, Dorian."
    Aber fast immer schüttelte Hawkmoon den Kopf und erklärte: „Ich habe soviel zu tun."
    „Das hier?" fragte Graf Brass und deutete mit weitausholender Gebärde auf die Modelltische. „Wozu soll es gut sein? Der Krieg ist vorbei. Sie sind tot. Können Eure Überlegungen und Strategien sie zurückbringen? Ihr seid wie ein Mystiker -
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