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Held Rama

Held Rama

Titel: Held Rama
Autoren: Alois Essigmann
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dehnte sich der Bau, und vor dem kunstvoll gebildeten, erzenen Tor hielt ein Wagen aus purem Golde. Saphire und Diamanten umkränzten seine Brüstung und leuchteten wie ein Flammenkranz durch das Dunkel. Der Boden des prunkvollen Gefährtes war rotes, geschliffenes Sandelholz, mit Elfenbein eingelegt. Acht silberschellige Eselein mit Elfengesichtern waren angespannt. Es war Puschpaka, der Wolkenwagen, den Ravana einst dem Schatzgott Kubera entführt hatte!
    Hanumat flog durch das halboffene Tor an allen Wachen vorüber und kam in eine Halle, deren Pracht alles überbot, was der kühne Kundschafter bisher gesehen hatte.
    Die Kuppeln aus Edelsteinen waren von goldenen Säulen getragen, auf denen sich Perle an Perle, Demant an Demant zu schönen Bildwerken reihte. Pfühle und Decken aus Kaschmir und Seide mit kostbaren Stickereien lagen ringsum an den Wänden, und Frauen, deren Schönheit den tapferen Hanumat erzittern ließ, wälzten sich darauf im Schlaf oder in heiterem Spiel.
    Unter einem schimmernden Thronhimmel aber nahm der zehnhäuptige Ravana und seine Lieblingsfrau Mandolari ein üppiges Mahl, tranken köstlichen Soma und lauschten den Weisen verborgener Spielleute.
    Hanumat flog verzweifelt umher, denn auf keine der Frauen in Ravanas Palast mochte das Bild passen, das Rama ihm von seiner fernen Geliebten entworfen hatte.
    Traurig und matten Fluges verließ er das Frauenhaus und die Stadt, und zerfleischte sein wackeres Herz mit Vorwürfen, dass er seiner Kundschafterpflicht nicht vollauf Genüge leiste.
    Als er nahe dem Stadttor einen herrlichen Opferhain entdeckte, schlüpfte er aus seiner Zaubergestalt und wollte sich vor den Göttern neigen, um in frommer Bußfertigkeit neue Kraft für sein schweres Unternehmen zu erflehen.
    Kaum schritt der Affenfeldherr unter den hochstämmigen Asokabäumen dahin, so hörte er aus einem Gartenhaus wehmütiges Klagen. Mit einem Satz war Hanumat in einer der Baumkronen vor den Fenstern des Gebäudes und erkannte frohen Herzens Sita inmitten ihrer Wachen von Hexen.
    Während der Wackere noch überlegte, wie er sich der Gefangenen ohne Gefahr bemerkbar machen könnte, öffnete sich die Tür zu Sitas Gemach, und Ravana, in halbtrunkenem Zustand, umgeben von vielen seiner Frauen, trat vor die unglückliche Fürstin.
    »Sita!« schrie der Schreckliche, »du Sonne an meinem Liebeshimmel, die mir leuchtet und mich verbrennt, die mir Leben schenkt und mich verdursten lässt! – Starrköpfige! zehn Monde sind verstrichen! Du hast meine Macht gesehen und kennst meinen Schwur! – Willst du nun mein Weib werden?«
    »Nie!« sprach Sita, ohne auch nur den Blick nach dem Stolzen zu wenden.
    »Ich liebe dich!« rief Ravana, ihr zu Füßen stürzend. »Oh, eiskalte Schöne, kühl' die verzehrende Glut!«
    »Zurück, Elender!« schrie Sita. »Ich bin des Raghawers Weib! Eher wird ein Sünder den Himmel Indras betreten, als ich die Hölle an deiner Seite suchen. Zurück, Herrscher, der sich nicht beherrschen kann!«
    In aufloderndem Zorn sprang Ravana empor und schwor mit flammenden Augen, die Kühne zu strafen.
    Aber die Frauen seines Gefolges, die den alles vernichtenden Grimm des Schrecklichen fürchteten, drängten sich um ihn, umschlangen den furchtbaren Gebieter und küssten die zornbebenden Lippen, bis der Dämon besänftigt war.
    »Wohl! du stolzes Menschenkind!« sprach er endlich ruhiger, »zwei Monde hast du noch Zeit! aber folgst du mir dann nicht willig vor das heilige Feuer, so fresse ich dich mit Haut und Haaren, so wahr ich der Mächtigste unter der Sonne bin!«
    Damit wandte er sich ab und verließ mit den Seinen das Gartenhaus.
    Sita aber versank in stilles Weinen, und ihre Hexenwache überließ sich nach und nach einem sorglosen Schlummer.
    Hanumat auf seinem Baumsitz hatte alles gehört und gesehen. Als er sich nun ziemlich sicher fühlte, begann er leise zu singen:
     
    »Wer bricht die stärksten Waffen
    Und trägt das schwerste Leid?
    Wer ist ein Held ohn' Fehle,
    Trotz härnem Büßerkleid?
    Wen sandte Lieb' ins Elend
    Und büßt' es mit dem Tod?
    Wes Adel brach die Ränke?
    Wer ließ die Macht um Not?
    Wem stahl der Hass das Hellste:
    Den Stern aus seiner Nacht,
    Das Weib, das finstres Brüten
    Aus seinem Herzen Jacht'?
    Wen eint mit dir die Träne
    Und trennt von dir das Meer?
    Wer sendet über die Fluten
    Zu dir den Boten her –?
     
    »Rama!« stammelte Sita, die längst ans Fenster getreten war. »Rama! – dich sendet Rama! – Doch nein! – der
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