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Heißer Winter in Texas

Heißer Winter in Texas

Titel: Heißer Winter in Texas
Autoren: Deborah Powell
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Ihr
    schwarzes, glattes, glänzendes Haar war zu einem
    Pagenkopf mit langem Deckhaar geschnitten. Ihre
    vollen Lippen waren rot, und ihre zarte Haut war blaß.
    Sie war die schönste Frau, die ich je in meinem Leben
    gesehen hatte. Neben ihr sah jeder andere Mensch
    unscheinbar und schwerfällig aus. Aber das wußte sie
    nicht.
    Mir wurde klar, wie lange ich schon dastand und sie
    ansah. Ich machte meinen Mund auf, um irgend etwas
    zu sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Ich machte
    meinen Mund wieder zu. Wahrscheinlich sah ich aus
    wie ein Fisch auf dem Trockenen.
    Sie stand da, wartete – und dann lächelte sie. In
    diesem Moment traf mich eine Kugel aus einer
    zwölfkalibrigen Flinte mitten in die Brust. Ich griff mit
    beiden Händen nach meinem Herz und stolperte
    rückwärts. Ich schaute an mir herunter – aber da war
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    kein Blut, ich keuchte nur. Da begriff ich, daß gar
    niemand auf mich geschossen hatte. Die Explosion war
    nur innerlich. Ihr Lächeln hatte sie ausgelöst.
    »Ist alles in Ordnung?« fragte sie besorgt. Ihre
    Stimme war tiefer als erwartet und ein wenig heiser.
    Das gefiel mir sehr. »Sie sehen ein bißchen seltsam aus.«
    Sie trat einen Schritt näher und lächelte wieder – aber
    dieses Mal war ich vorbereitet. Es fühlte sich nur an wie
    ein Schuß aus einer 45er. Ich schwankte ein wenig und
    setzte mich auf das Sofa hinter mir.
    »Kann ich Ihnen einen Drink anbieten?« fragte sie.
    »Ja, sehr gern«, murmelte ich und nickte.
    Sie klingelte nach dem Butler. »Geht es Ihnen auch
    wirklich gut?«
    »Oh, ja«, versicherte ich. »Es geht mir wirklich gut.
    Ich habe bloß die ganze letzte Nacht an einer Reportage
    gearbeitet. Wahrscheinlich hat mich das mehr
    angestrengt, als ich dachte.«
    Sie nickte mitfühlend, also spann ich meine
    Geschichte weiter, während ich sprach: »Wenn ich mich
    überanstrenge,
    kriege
    ich
    manchmal
    diese
    Schwindelanfälle und falle in Ohnmacht. Die Ärzte
    sagen, ich müßte mir keine Sorgen deswegen machen –
    es gibt auch sowieso nichts, was dagegen hilft.« Ich
    lächelte tapfer.
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    Sie nickte wieder, und ich redete weiter über meine
    neue Krankheit. Ich konnte einfach nicht aufhören.
    Solange sie dasitzen und mich anlächeln würde, würde
    ich dasitzen und reden. Wenn ich ihre Aufmerksamkeit
    nur hätte erringen können, indem ich in lila Lederhosen
    und einem roten Kopftuch Handstand machte – ich
    hätt‹s getan. Glücklicherweise kam es nicht so weit. Ich
    war gerade dabei, meiner Krankheit einen Namen zu
    geben, als der Butler mit den Drinks kam.
    Er schob einen Servierwagen ans Sofa und begann, in
    einem Krug Martinis zu mixen. Normalerweise trinke
    ich nur Bourbon, aber ich schätzte, das sei hier weniger
    angebracht. So nahm ich einen Martini an und trank ihn
    in großen Zügen. Mein Mund war vom vielen Reden
    ganz trocken, und ich hielt mein Glas zum Auffüllen
    hoch. Der Butler spitzte mißbilligend die Lippen. Als
    Mrs. Delacroix sich von mir abwandte, um ihm eine
    Anweisung zu geben, schnitt ich eine Grimasse und
    streckte ihm probehalber die Zunge raus. Er zuckte mit
    keiner Wimper.
    Ich sah zu, wie sie mit ihm sprach, und mein Herz
    tanzte einen Charleston. Ihr langes Kleid hatte dasselbe
    Rot wie ihre Lippen. In den Klatschspalten hatte ich
    einiges über diese Frau und Ihren Mann gelesen. Es
    hieß, sie sei die bestgekleidete Frau von Houston und
    trage Kreationen von Mainbocher und von Molyneux,
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    der auch Mrs. Wallis Simpson einkleidete. Im Vergleich
    mit Lily Delacroix allerdings wirkte Mrs. Simpson wie
    eine Landarbeiterin in einem Drei-Dollar-Kleid von der
    Stange.
    Lily – sie hatte mich zu diesem Zeitpunkt schon
    gebeten, sie Lily zu nennen – und ihr Mann waren die
    Lieblinge der feinen Gesellschaft von Houston. Sie
    waren reich, schön und rasend elegant. Ich hatte nicht
    damit gerechnet, Lily zu mögen. Ich hatte sie mir
    oberflächlich, eingebildet und dumm vorgestellt. Sie
    war es nicht. Ich hätte alles gegeben, um sie nur einmal
    zu berühren.
    Als der Butler endlich gegangen war, plauderten wir
    über die Welt im allgemeinen. Wir sprachen über das
    ungewöhnlich kalte Wetter, über Hitler und
    Deutschland, König Edward und Mrs. Simpson (die sie
    völlig selbstverständlich und ganz ohne etwa Eindruck
    schinden zu wollen als David und Wallis bezeichnete –
    ich fand später heraus, daß Mrs. Simpson eine entfernte
    Cousine von ihr war). Sie war enorm belesen und
    kannte die meisten Leute, die für
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