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Heißer Winter in Texas

Heißer Winter in Texas

Titel: Heißer Winter in Texas
Autoren: Deborah Powell
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Schlagzeilen sorgten –
    oder war ihnen zumindest schon mal begegnet,
    einschließlich Adolf Hitler. Den hatte sie im Vorjahr in
    Berlin kennengelernt und fürchtete ihn. Die Reaktionen
    der Menschen auf seinen Größenwahn hatten ihr Angst
    gemacht. Sie hatte gesehen, wie Mitglieder der
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    Hitlerjugend
    einen
    alten
    Juden
    brutal
    zusammengeschlagen hatten. Der Bus, in dem sie saß,
    war einfach weitergefahren, ohne auch nur zu
    verlangsamen, und kein Fahrgast hatte das geringste
    Anzeichen von Unruhe gezeigt. Sie hatte gerufen, der
    Bus solle anhalten, aber die Frau neben ihr hatte sie auf
    den Sitz zurückgezogen und ihr geraten, den Mund zu
    halten, wenn ihr das Leben lieb sei. Sie hatte noch in
    derselben Nacht Deutschland verlassen und war
    weitergereist zum Herzog und Mrs. Simpson nach Fort
    Belvedere, dem Lustschlößchen im gotischen Stil, das
    mitten im Park von Windsor stand. Jetzt, da der alte
    König gestorben war, nahm sie an, daß Edward
    »Wallis« heiraten würde. Ich war anderer Ansicht –
    niemals würden die Briten akzeptieren, daß ihr König
    eine geschiedene Amerikanerin ehelichte, und er würde
    sie entweder aufgeben oder als Geliebte behalten
    müssen. Wir diskutierten immer noch darüber, als ihr
    Mann erschien.
    Er war groß, schlank und dunkelhaarig. Sein
    Abendanzug war makellos, der Zweireiher wirkte wie
    von Engelshand genäht. Er sah gut aus, wenn auch ein
    wenig verschlagen. Von weitem hatte ich ihn schon
    früher im Büro gesehen. Jetzt konnte ich feststellen, daß
    seine Lippen zu schmal waren und sein Lächeln die
    schwarzen, marmorkühlen Augen nicht erreichte.
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    Die Delacroix‹ galten als das vollkommene Paar. In
    den Zeitschriften stand zu lesen, daß sie sich schon im
    Sandkasten ineinander verliebt hätten (ihre Mütter
    waren beste Freundinnen gewesen). Aus irgendeinem
    Grund war Lily durchgebrannt. Noch während ihrer
    Collegezeit hatte sie einen Künstler aus New Orleans
    geheiratet. Der erste Ehemann hatte sich umgebracht,
    und vor vier Jahren hatten sie und Andrew schließlich
    geheiratet. Sie war damals fünfunddreißig und er ein
    paar Jahre älter. Er hatte vorher nicht geheiratet und
    wahrscheinlich die ganzen Jahre lang nach ihr
    geschmachtet. (Zumindest hätte ich das getan.) Wie
    auch immer, sie waren glücklich vereint, so wie es Gott
    und ihre Mütter ursprünglich vorgesehen hatten.
    Er lächelte, wobei seine Lippen vollends
    verschwanden, kam mit schnellen Schritten quer durch
    den Raum auf mich zu und umschloß meine Hand mit
    seinen beiden. Er drückte zu wie einer von diesen
    Folterstiefeln, mit denen die alten Chinesen
    Informationen erpreßten. Ich dachte, er ahnt wohl nicht,
    wie fest sein Griff ist – bis ich in seine Augen schaute
    und sah, daß er sich seiner Kraft durchaus bewußt war.
    Ich überlegte kurz, womit ich ihn so wütend gemacht
    haben konnte, und kam zu dem Schluß, daß das nicht
    mein Problem war, sondern seines. Wahrscheinlich war
    ich für seinen Geschmack nicht feminin genug. Ich kniff
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    die Augen zusammen, grinste und drückte kräftig
    zurück.
    »Nun, Hollis«, er quetschte immer noch meine Hand,
    »wie ich höre, kam es gestern bei der Arbeit zu einem
    kleinen Mißverständnis.«
    »Wirklich? Davon hab‹ ich noch gar nichts gehört«,
    bemerkte ich. Mein Ton signalisierte wie immer
    Interesse an sensationellen Informationen aus dem
    Intimleben von Leuten, die ich kannte.
    »Ich meine zwischen Ihnen und Kelly.« Sein Tonfall
    signalisierte klar, daß er sich mit der unangenehmen
    Aufgabe konfrontiert sah, mich stubenrein zu
    bekommen. Ich merkte ihm an, wie gern er den Satz mit
    »Sie hirnloses Trampel« abgeschlossen hätte, und daß er
    sich nur mühsam beherrschte. »Als Sie bei der Zeitung
    gekündigt haben«, fügte er hinzu.
    »Ach, das! Das war kein Mißverständnis«, erklärte
    ich leichthin und wischte den bloßen Gedanken daran
    mit einer – wenn ich mal so sagen darf – graziösen
    Geste beiseite. Dabei schlug ich die lange schmale
    braune Zigarette aus Lilys Hand und mußte unter den
    weißlackierten Kaffeetisch kriechen, alle guten Geister
    anflehend, daß sie kein Loch in den Teppich brennen
    würde. Ich rettete sie, bevor das Loch zu tief wurde,
    und sagte mir, mit einer kleinen Schere konnten sie den
    Teppich immer noch so zurechtfrisieren, daß niemand
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    etwas bemerken würde. »Er wollte, daß ich die große
    Story fallenlasse, an der ich gerade dran bin, über einen
    Polizeiskandal, und statt
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