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Heinermaedsche

Heinermaedsche

Titel: Heinermaedsche
Autoren: Ann-Sophie Aigner
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Liebe gestanden. Sie spielte mit ihrem Verlobungsring, den sie noch heute mit Stolz trug. Um ein Haar hätte sie ihn jedoch niemals bekommen.
    Sie hatten sich damals an einen kleinen Tisch in einer der Nischen gesetzt. Hubertus war an diesem Abend auffällig schweigsam, nicht dass er sonst viel gesprochen hätte, aber an jenem Abend war er geradezu stumm.
    Er nahm ein kleines Schächtelchen aus seiner Jacke und öffnete es. Darin steckte ein wunderschöner goldener Ring mit einem funkelnden Diamanten. Es war der Verlobungsring seiner Mutter, die ihn Hubertus, ihrem einzigen Sohn, geschenkt hatte. Noch nie zuvor hatte Marianne etwas derart Schönes gesehen. Mit zittrigen Fingern nahm er den Ring aus der Schachtel, doch er rutschte ihm aus der Hand und fiel auf den Boden. Erschrocken bückte sich Hubertus, um das Schmuckstück aufzuheben, es kullerte jedoch unter den Nachbartisch. Ein älterer Herr, ein Bauer, mit klobigen Winterstiefeln saß dort. Er hatte gerade bezahlt und stand auf. Er trat auf den Ring, der genau in das grobe Profil des Schuhs passte, und verließ den Gastraum. Hubertus hechtete hinterher. Der Bauer hatte bemerkt, dass etwas in seiner Sohle steckte, und rieb sie über den eisernen Hund, der vor der Tür stand. Der Ring löste sich und fiel auf den Boden. Leider tauchte in diesem Moment der Hund des Bauern auf, schnüffelte an dem Ring und schnappte ihn sich. Marianne war mittlerweile ihrem Hubertus nach draußen gefolgt und beobachtete mit Schrecken, wie der Hund den Ring verschluckte. Sie schrie auf und stürzte sich auf den Hund, um ihm mit aller Kraft den Ring aus dem Rachen zu ziehen. Sie weinte, der Hund knurrte und Hubertus konnte den Bauern nur mit größter Mühe davon abhalten, auf seine Verlobte loszugehen. Der Bauer dachte, Marianne wollte dem Hund den Hals umdrehen. Ein schrecklicher Tumult erfüllte das Foyer. Andere Gäste schalteten sich ein und wollten die Situation entschärfen. Mit großer Mühe trennten sie die Streithähne. Hubertus versuchte wild gestikulierend den Bauern davon zu überzeugen, dass sein Hund gerade den einstigen Verlobungsring seiner Mutter und den aktuellen Verlobungsring seiner zukünftigen Frau verspeist hatte. Der Hund jaulte, Marianne weinte, der Bauer war entsetzt und Hubertus am Ende seiner Kräfte. Nach einem Schnaps einigten sich Hubertus und der Bauer darauf, der Natur ihren Lauf zu lassen und den Kot des Hundes in den nächsten Tagen gemeinsam zu untersuchen. Marianne verzichtete dankend auf diese Prozedur. Wenige Tage später präsentierte Hubertus seiner Verlobten bei einem romantischen Picknick auf der Ludwigshöhe stolz erneut den Ring und hielt um Mariannes Hand an. Auf ihre Frage, warum sie nicht in einem schönen Restaurant sitzen würden, antwortete er, dass der Ring so nicht über den Boden kullern könnte. Beide lachten herzlich und genossen die wunderschöne Aussicht über Darmstadt bis in den Taunus hinüber. Nach mehreren mehr als gründlichen Reinigungen trug Marianne den Ring dann tatsächlich und hatte ihn seither nie mehr abgenommen.
    Jetzt würde sie hier mit ihren Freundinnen Abschied von ihrem bisherigen Leben nehmen müssen.
    Beim Betreten des Restaurants bestellte Ursula einen doppelten Grappa, und zwar für alle.
    In dem sonst eher ruhigen Raum herrschte geselliges Treiben. An einem der großen Tische saß eine Gruppe junger Männer zusammen, die offensichtlich etwas zu feiern hatte.
    Die Freundinnen gingen an der Gruppe vorbei. Eva stützte ihre noch immer schwache Freundin Marianne. Die Arme hatte an diesem Tag wirklich viel durchmachen müssen.
    Einer der jungen Männer sprach Gerlinde an: »Du siehst aber gut aus.«
    Gerlinde drehte sich zu dem Sonnyboy um, musterte ihn abschätzig und ging ohne ein Wort weiter.
    »Hallo!« Der junge Mann ließ nicht locker.
    Gerlinde drehte sich erneut um und fragte mit gespielter Empörung: »Wie meinen?«
    »Oh, diese Ausdrucksweise. Ich mag das total an älteren Frauen.«
    »Verschwinde du, Bengel, und werd erst Mal trocken hinter den Ohren.«
    »Eine Frau, die nicht gleich klein beigibt, finde ich ungemein reizvoll.« Er zwinkerte Gerlinde zu.
    Sie rollte mit den Augen und verschwand in dem reservierten Nebenraum. Dort nippte sie an ihrem Wein und blickte immer wieder verstohlen und gedankenverloren zu der Gruppe junger Männern hinüber.
    Eva folgte ihrem Blick. Wie alt mochten die Jungs sein? Höchstens Mitte 20. Wie es schien, würde Gerlinde ebenfalls gerne ihre geheimen Träume
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