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Heimkehr der Vorfahren

Heimkehr der Vorfahren

Titel: Heimkehr der Vorfahren
Autoren: Eberhardt del'Antonio
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das sie für ihre Mutter hinterlegen wollte. Diesem Tagebuch hatte sie vieles anvertraut, was für keinen anderen bestimmt war.
    Sie sagte es dem Direktor.
Der Greis, er mochte die Hundertdreißig überschritten haben, wiegte bedächtig das Haupt und sah sie aus faltenumrahmten Augen an. »Nicht alle Tagebücher sind geöffnet. Einige Zweifler unter den Nachkommen haben ihre Hinterlassenschaft versiegelt. Ein Zeichen, daß sie auf vertrauliche Behandlung Wert legten. Ihr Wunsch wird respektiert. Als das Notsignal kam, wurde verfügt, daß diese Aufzeichnungen hundert Jahre nach dem Termin der planmäßigen Rückkehr der Kosmos ungeöffnet zu vernichten sind.«
»Demnach besteht eine Chance, daß sie zurückkommt?«
»Ausgeschlossen, das tragische Ende der Kosmos ist erwiesen.«
»Die alten Gutachten sind kein schlüssiger Beweis. Mit modernen Untersuchungsmethoden kämen wir vielleicht zu anderen Ergebnissen.«
»Mag sein, daß ich voreingenommen bin«, sagte der alte Mann nachgiebig. »Seit Jahrzehnten verwalte ich dieses Museum, überzeugt, daß ich eine unzustellbare Hinterlassenschaft behüte. Kommen Sie denn, um hier einen Schlüssel für das Schicksal der Kosmos zu finden?«
»Mir geht es um die… kybernetischen Systeme der Kosmos«, sagte Vena vorsichtig. »Vielleicht gewinne ich neue Gesichtspunkte, wenn ich die Dokumente und Zeitschriften aus dem Startjahr durcharbeite. Vielleicht finden sich auch in den Briefen Hinweise, etwa auf frühere Unterhaltungen über die Antriebssysteme…«
»Sehen Sie«, der Greis lächelte, »es ist doch gut, daß nicht alles versiegelt ist. Haben Sie schon eine Wohnung im Gästehaus belegt?«
    Hatte Vena anfangs ernsthaft nach Hinweisen auf kybernetische Systeme gesucht, so nahm sie doch bald das Leben der Kosmonauten und ihrer Angehörigen gefangen.
    Des Abends setzte sie sich mit dem Direktor zusammen und ließ sich von ihm, der viele alte Sprachen beherrschte, die Dokumente und Briefe übersetzen. Nach einigen Tagen aber beschlich sie Unbehagen. Nahm sie den alten Herrn nicht über Gebühr in Anspruch? Sie fragte nach Übersetzungsmaschinen für alte Sprachen.
    Der Direktor nickte. Selbstverständlich, wenn Vena seine Hilfe nicht mehr benötige, werde er sich darum bemühen. Es gelang ihm nicht, seine Enttäuschung zu verbergen. Erst als Vena ihm nachdrücklich versicherte, daß sie nach wie vor auf seine Unterstützung angewiesen sei, ja, daß ihre Forschungsarbeit in eine Sackgasse geraten wäre, wenn sie nicht in seinem Museum so wertvolle Dokumente gefunden hätte, erst da überwand der alte Mann seine Niedergeschlagenheit. Im Laufe des Tages beschaffte er einen linguistischen Automaten. Das Weitere war einfach. Behutsam legte Vena die alten, in luftdichte Folie vergossenen Dokumente unter den Fototaster. Und in Sekundenschnelle schrieben Lichtstrahlen den Text in der Intersprache auf Fotofolie.
    Die Dokumente wurden für Vena noch interessanter, als sie nicht mehr auf die Übersetzung des Direktors oder eigene mühsame Entzifferungsversuche angewiesen war.
    Da war Professor Doktor Wassil Nasarow, der Leiter der Expedition, damals neunundzwanzig Jahre alt. Den Bildern nach klein und dicklich, mit spärlichem Haarschopf, widerspenstigen Augenbrauen und langen, schmalen Händen. Er war es, der seinerzeit die Abschiedsrede gehalten hatte. Aus den Briefen seiner Lebensgefährtin ging hervor, daß sie, obwohl sie ihn sehr liebte, seinem Entschluß, an der Expedition teilzunehmen, ohne Vorbehalte zugestimmt hatte. Vena bewunderte die Größe dieser Entscheidung. Sie erkannte, wie falsch es gewesen war, die Vorfahren nur nach den Kriegsfilmen zu beurteilen.
    Dann kam Canterville, Chefastronaut der Expedition, neunundzwanzig Jahre alt, nicht verheiratet. Für ihn gab es nur Briefe seiner Eltern, seiner Schwester und deren Kinder.
    Diplomingenieur Michael Jansen…
Name folgte auf Name.
Vor Vena enthüllte sich die menschliche Vielfalt, die sich
    hinter dem Begriff »Raumschiff Kosmos« verbarg. Die Namen gewannen Leben, die Gestalten wurden ihr vertraut. Und das alles sollte irgendwo im Raum ausgelöscht worden sein?
    An ihre kybernetischen Studien dachte Vena nicht mehr. Eines Morgens stürzte der Direktor zu ihr ins Zimmer, erregt, atemlos. Seine spärlichen weißen Haare standen nach den Seiten ab und gaben ihm etwas Eulenartiges.
»Hier sind Sie! Ich suche Sie überall«, keuchte er und ließ sich in einen Sessel sinken. »Ich habe etwas für Sie. Fand gestern einen Hinweis
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