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Heimat Mensch - Was uns alle verbindet

Titel: Heimat Mensch - Was uns alle verbindet
Autoren: Christoph Antweiler
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Ideal ist der vornehme Mensch, leise und distanziert, der die gehobene Etikette beherrscht. Ihre traditionelle Kultur ist höfisch und hierarchiebewusst. Die Menschen hier in Ujung Pandang sind deutlich lebhafter und nicht so verfeinert im Umgang miteinander. Aber auch sie meiden die Sonne und schätzen helle Haut. Immer wieder greifen Menschen, auch wenn wir sie schon lange kennen, nach unseren Armen und sagen: »Was ihr doch für schöne Haut habt!« Ziemlich unangenehm für uns, aber nach einigen Monaten geben wir es auf, dagegen zu argumentieren. Wir müssen damit leben, dass unser Traumland eine gehörige Portion Alltagsrassismus aufweist. Erziehung und Medien tun das ihrige dazu. Abends im Fernsehen sehen wir, wie Reporter aus Jakarta vor Hütten in Neuguinea stehen und deren Bewohner als Steinzeitmenschen vorführen. Für das große Publikum in Indonesien ist das bestenfalls exotisch oder lustig. Waldbewohner wie die Eipo sind für die meisten Indonesier keine Kulturmenschen, sondern eher Naturwesen, wie die Orang Utan , die »Waldmenschen«. Das beweist ja wohl schon ihre Nacktheit.
    Geregelte Lust: Sex-Tabus überall
    Die Kulturen dieser Welt gehen offensichtlich sehr unterschiedlich mit dem Thema Nacktheit um. Mitunter gibt es selbst innerhalb eines Landes deutlich verschiedene Haltungen. Auffällig im internationalen Vergleich ist vor allem der Westen mit seiner freien Einstellung zur Sexualität. Für meine indonesische Gastfamilie erscheinen die leicht bekleideten Touristinnen tabulos. Aber stimmt das? Schauen wir mit ethnologischem Blick auf uns selbst: Auch im Westen sind nicht an jedem Kiosk nackte Tatsachen zu sehen. Pornozeitschriften, die man wirklich so nennen kann, liegen nicht im Schaufenster. Je pornografischer sie sind, desto besser sind sie versteckt. Auf den Titelseiten sieht man fast nur nackte oder leicht bekleidete Frauen. Männerhaut ist Mangelware; da muss man schon ziemlich suchen. Sind unbekleidete Männer abgebildet, sieht man fast nie den Penis. Das beste Stück ist kunstvoll verdeckt oder verschwindet am Rand. Fündig wird man allenfalls bei den Spezialzeitschriften aus der homoerotischen Szene.
    Der Penis wird überhaupt selten gezeigt. Auf dem Cover eines schönen Bildbands mit dem Titel Nackt. Die Ästhetik der Blöße sind 24 Bildchen zur Nacktheit, aber kein einziges männliches Geschlechtsteil zu sehen. Oliviero Toscani, der berühmte Werbemann von Benetton, hatte immer ein Händchen für Anzeigen, die seine Firma durch gezielte Tabubrüche prominent in Szene setzten. 1993 entwarf er eine Anzeige mit 56 Unterkörpern vorwiegend jugendlicher Menschen aller Hautfarben. Da nicht nur die Geschlechtsregion von Frauen, sondern auch Penisse gezeigt wurden, hätte Benetton hohe Aufmerksamkeit erreichen können. Die Kampagne wurde nicht realisiert. Praktisch nie ist auf öffentlich zugänglichen Bildern ein steifer Penis zu sehen.
    Auch in unserer vermeintlich freien Gesellschaft gibt es eine Menge Tabus zum Sex. Wir wissen zwar mittlerweile, dass Selbstbefriedigung normal und allgemein verbreitet ist. Wir reden aber nicht darüber, und als Thema des Alltagslebens findet sex for one in den Massenmedien nicht statt. Prostitution gibt es in jeder größeren Stadt, aber sie wird räumlich versteckt. Pikante Fernsehszenen, die man allein durchaus gern ansieht, sind einem irgendwie peinlich, wenn jemand dabeisitzt. Harmlose Nacktrenner werden in Fußballstadien schnellstens abgeführt. Selbst in den wilden 68ern gab es Grenzen. Eines der berühmtesten Fotos der Studentenrevolution zeigt sieben nackte Kommunarden. Alle sind nur von hinten zu sehen, und selbst dieses Bild wurde in der Regel nur retuschiert gedruckt.
    Einzelne Gruppen haben immer wieder versucht, sexuelle Freiheit zu leben. Romantische Literaten und frühe Marxisten spekulierten über eine Phase der totalen Promiskuität in der frühen Geschichte der Menschheit. Die Prähistoriker konnten aber nichts Derartiges finden. Ich selbst habe noch erlebt, wie in den 1970er Jahren studentische Kommunen in Kalifornien die sexuelle Freizügigkeit probten. Die Mehrheit dieser Gemeinschaften überlebte nicht lange. Die völlige sexuelle Freizügigkeit gibt es nirgends. Geschlechtsverkehr in der Öffentlichkeit beispielsweise wird in keiner Kultur als normal angesehen. Überall auf der Welt bestehen klare Beschränkungen der Sexualität. Diese sind allerdings sehr vielfältig. Sexualität wird in allen Kulturen sehr ernst genommen.
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