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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt
Autoren: Purpurmond
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Patachon, fragte mich sogar schüchtern, ob ich schöne Ferien gehabt hätte. Ich konnte nur verblüfft nicken und quälte mir ein Lächeln ab. Dass ich als Hexe angeklagt worden und schon auf dem Scheiterhaufen gelandet bin, erzähle ich besser niemandem, dachte ich und blickte mich um. Von Sina und ihren Anhängerinnen keine Spur. Erst eine halbe Minute ehe der Gong zur ersten Stunde läutete, trödelten Lilli, Mia, Eve und Rebekka an. Kurz vor dem Englischlehrer wischte schließlich auch Lola durch die Tür. Nur Sina fehlte. Langsam wurde es mir doch unheimlich. Was war bei dieser Party im Drudenkeller damals nur passiert? Ein wohltönender Dreiklang verkündete den Beginn des Unterrichts.
    »Guten Morgen, 11 B! Ich hoffe, ihr habt euch gut erholt …«, setzte unser Lehrer an, als die Klassenzimmertür erneut aufging. Ein Wesen, das nur schwer als Sina zu erkennen war, huschte herein: mit Riesensonnenbrille und einem Baumwollschal, den sie bis übers Kinn gezogen hatte. Außerdem hatte sie sich einen Pony schneiden lassen, was ihr nicht besonders gut stand. Als sie sich wortlos und mit gesenktem Kopf an meinem Platz vorbeidrückte, musterte ich sie verstohlen. Vermummte sie sich so, weil ich ihr an dem denkwürdigen »Party«-Abend ein Veilchen verpasst hatte? In ihrer Verkleidung sah sie aus, als wolle sie zur Maidemo nach Berlin-Kreuzberg gehen. Doch ich konnte weder Blutergüsse noch Beulen entdecken. Aber ihr Gesicht sah irgendwie … anders aus: Wie ein Streuselkuchen mit Make-up, schoss es mir durch den Kopf. Ein krasser Gegensatz zu Sinas bisheriger Schneewittchenhaut. Ob sie eine Allergie hatte? Als sie meinen Blick bemerkte, drehte sie den Kopf weg und hastete zu ihrem Platz. Die ganze Pause über blieb sie verschwunden. Erst als ich mich für die Volleyballstunde umziehen wollte, sah ich sie wieder: Umringt von ihren fünf Freundinnen, hockte sie auf einer der harten Bänke in der Umkleide.
    »… und wenn du doch mal mit ihr redest?«, piepste Lola gerade, als ich reinkam. Sie bemerkten mich nicht, denn alle Aufmerksamkeit war auf Sina, die Queenbee gerichtet. Wie eine Bienenkönigin sah sie mit ihrer Sonnenbrille und den gekrümmten Schultern allerdings nicht aus. Eher wie Puck die Fliege, nachdem sie gerade mit der Fliegenklatsche Bekanntschaft gemacht hat.
    »Und was soll ich sagen, hä? Sie vielleicht fragen, ob sie mich verhext hat, nachdem ich sie in diesem verdammten Keller …« Sina brach ab und schlug theatralisch die Hände vors Gesicht.
    »Hi zusammen! Geht’s um mich?«, rief ich gespielt fröhlich in die Runde.
    Sechs Köpfe schnellten herum, und alle quiekten gleichzeitig. Ich schien wirklich Angst und Schrecken zu verbreiten. Die anderen Mädchen, die an ihren Spinden standen oder gerade reinkamen, sahen neugierig zu uns rüber. Jetzt, da ich vor ihr stand, konnte ich Sina genauer in Augenschein nehmen. Sie hatte tatsächlich ziemlich dick Make-up aufgelegt. Aber ihre Kriegsbemalung verbarg die Pickel, die offensichtlich gerade abheilten, nicht vollkommen. Deswegen also war sie so vermummt wie ein Mitglied einer terroristischen Fraktion! Und offenbar dachte sie, ich hätte sie mit einer Art »Aknefluch« belegt – zur Strafe fürs Einsperren ins Drudenverlies. Wenn die wüsste, mit was für einem Fluch ich mich bis vor kurzem hatte herumschlagen müssen! Im Vergleich zu einem Kupferreif, der einen fast abmurkst, sind so ein paar Pickel ja wohl ein Klacks, dachte ich und hätte beinahe losgekichert. Krampfhaft kniff ich die Lippen zusammen und verengte meine Augen zu Schlitzen, um das Lachen zu unterdrücken, das wie ein Vulkan in mir brodelte. Das Sextett zog die Köpfe ein. Offenbar dachten sie, ich würde gleich ein paar Bannsprüche in den Raum schleudern. Rebekka knuffte Sina in die Seite und sah sie auffordernd an.
    »Tja, also … Cat«, fing Sina an, »die Sache mit dem Gläserrücken …« Sie stockte.
    »Ja?«, fragte ich zuckersüß und lächelte wie ein Piranha im Amazonas.
    »Das … sollte ein Witz sein. Also, was ich sagen wollte … Tutmirleidokay?« Sina machte dabei ein Gesicht, als hätte sie auf eine schimmelige Zitrone gebissen.
    Ich musste mich beherrschen, um meine Verblüffung nicht zu zeigen. Sina entschuldigte sich? Bei MIR? Ihr musste echt ordentlich die Düse gehen. Dass jemand, der die »InStyle« und die »Vogue« zu seiner Bibel auserkoren hatte, an Hexenzauber glaubte, hätte ich nicht erwartet. Aber es kam mir nicht ungelegen, denn eins war klar: Sie
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