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Heike Eva Schmidt

Heike Eva Schmidt

Titel: Heike Eva Schmidt
Autoren: Purpurmond
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ich einen Menschen, den ich gut leiden konnte, verloren. Dabei hätte ich ihr so gerne gesagt, dass der Fluch gelöst und ich gerettet war. Wie konnte es überhaupt sein, dass ich sie noch in dem Haus besucht hatte, in dem sie längst nicht mehr wohnte? Ob das auch mit dem Bann zusammenhing? Margret Hahn hatte den Fluch zwar nicht ungeschehen machen können, aber sie hatte mich überhaupt erst auf die Idee gebracht, nach der Person zu suchen, die den Reif verwünscht hatte. War ich durch das magische Schmuckstück auch in der Lage gewesen, im heutigen Bamberg eine Frau zu finden, die es eigentlich nicht mehr gab? Vielleicht war ich nicht nur 300 Jahre zurückgereist, sondern auch ein Jahr, bis kurz vor Margret Hahns Tod? Dieses Rätsel würde sich jetzt wohl nie mehr lösen lassen, dachte ich.
    »Danke, dass Sie es mir gesagt haben«, sagte ich zu dem alten Mann. Der nickte mir zu, dann schlurfte er davon. Ich sah ihm nach und dachte an die alte Bambergerin. An ihr Lächeln, das ihr Gesicht mit Hunderten von Runzeln überzog, ihre Stimme, mit der sie die guten Mächte beschwor, und an ihre klugen, hellblauen Gletscheraugen … In dem Moment durchfuhr mich die Erinnerung wie ein Blitz. Jetzt wusste ich, warum mir der Blick von Dorotheas Nachbarin, der alten Grete, so vertraut vorgekommen war. Sie hatte die gleichen Husky-Augen gehabt wie »meine« Margret Hahn!
    Grete – Margret … Die Namen schwirrten wie aufgeregte Kanarienvögel in meinem Kopf umher. Ob die alte Bambergerin, deren Rat und Hilfe ich gesucht hatte, eine Nachfahrin von jener Grete aus dem 17. Jahrhundert gewesen war? Ungewöhnliche Kräfte hatten sie schließlich beide besessen. Vielleicht hatte die Grete von damals eine Tochter oder Nichte gehabt und ihre magischen Kräfte über Generationen weitervererbt? Damit hätte sich auch der Kreis geschlossen: Ich war eine Nachfahrin Förgs und trug die Linie seines Blutes in mir, weshalb mich der Fluch, der eigentlich für ihn bestimmt war, getroffen hatte. Und Margret Hahn, deren Ahnin den Bann ausgesprochen hatte, war indirekt dafür verantwortlich, dass der Fluch sich erfüllt hatte. Sie war es, die mich auf die Idee gebracht hatte, meine Zeitreisen dafür zu nutzen, Grete zu finden. Stattdessen hatte ich zuerst Dorothea kennengelernt, und durch sie war ich an Förg geraten. Um Dorothea und mich zu retten, hatte ich den alten Richter verfolgt, der das kaiserliche Mandat hatte verschwinden lassen wollen und dabei über die Brüstung des Castrums gestürzt war. Das Halsband hatte Förg also den Tod gebracht – durch mich, seine Trägerin. Nur so hatte Daniel die kaiserliche Anordnung in die Hände fallen und nur so hatte er zum Richter ernannt werden können. Das Mandat aus Wien hatte nicht nur Dorothea und mich gerettet, sondern auch die alte Grete – und damit war der Fluch gelöst. Und somit war Margret Hahn, die Nachfahrin derjenigen Frau, die mir ungewollt fast den Tod geschickt hätte, zu meiner Retterin geworden.
     
    Den Kopf voller Gedanken, die sich wie ein wildes Fahrgeschäft auf dem Rummelplatz drehten, radelte ich nach Hause. Links von mir lag »Klein Venedig«, eine Reihe alter, malerischer Fischerhäuschen direkt am Ufer der Regnitz. Ich überquerte die Brücke des Alten Rathauses, ein Gebäude, auf das die Bamberger besonders stolz waren, da es im 15. Jahrhundert mitten im Fluss erbaut worden war, weil der damalige Bischof nichts von seinem Grund abgeben wollte. Mein Rad holperte über das Kopfsteinpflaster, dessen Steine bestimmt schon im Jahr 1630 an dieser Stelle gelegen hatten. Am Marktplatz bog ich in eine der schmalen Gässchen ein und kreuzte die Straße zur Universität …
    Meine Fahrradbremsen quietschten, als ich abrupt stoppte. Mir war eine Idee gekommen. Hastig schloss ich mein Rad ab, riss die Tür zur geschichtlichen Fakultät auf und rannte die Treppen hoch, wobei ich immer zwei Stufen auf einmal nahm.
    »Caitlin, das ist ja nett, dass Sie vorbeisehen! Haben Sie Ihr Referat fertig?« Professor Körners Eulenaugen blitzten freundlich hinter seiner dicken Brille.
    »Ähm, fast. Ich müsste nur noch einen Blick in die Dokumente des letzten Hexenprozesses werfen«, sagte ich und lächelte ihn gewinnend an.
    »Natürlich, natürlich! Bitte setzen Sie sich doch«, sagte er, während er schon eifrig seinen Schrank mit den Hängeordnern durchwühlte. »Hier haben wir es«, rief er schließlich triumphierend und knallte eine dünne braune Akte vor mir auf den Tisch. Eine
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