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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten
Autoren: Johanna Spyri
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beim Aussteigen sagte der Fani zu mir: ›Meinst du, daß ich hier in dem großen Garten arbeiten müsse, oder etwa im Stall?‹ Aber das konnte ich ja nicht wissen, ich wußte auch nicht einmal, was ich selbst arbeiten sollte. Aber es ist so anders gekommen, als wir gemeint haben, und als Du gewiß auch meinst. Zuerst war die Frau Stanhope so traurig, daß wir sie drei Tage lang nicht sahen. Aber die Tante Klarissa war so gut mit uns, wie noch nie einMensch auf der Welt. Sie führte uns in dem großen Garten herum und zeigte uns alles und auch, wo der Philo begraben lag. Da stand ein weißes Kreuzchen mit seinem Namen. Und wir drei aßen zusammen an einem Tische, sonst war niemand da. Dann wurde die Nora begraben neben ihrem Bruder bei den großen Lindenbäumen. Die Tante Klarissa sagte uns, jetzt komme Frau Stanhope noch nicht zu uns, weil sie so traurig sei, daß sie alles wiedersehe in der Heimat, nur die Nora nicht. Aber am vierten Tage kam die Frau Stanhope auch zu uns an den Tisch und war freundlich und sagte, nun wollen wir auch zu arbeiten anfangen. O wie mußten der Fani und ich staunen darüber, was es war, und jeden Abend freuen wir uns so stark auf den anderen Morgen, denn so geht es nun immerfort. Was meinst Du, was für schwere Arbeit wir zu verrichten haben? Gar keine! Das kannst Du nun fast nicht glauben, aber es ist gewiß wahr. Den ganzen Morgen lang dürfen wir immer in den Unterrichtsstunden sitzen und so viel neue Sachen erlernen! Um neun Uhr kommt ein Lehrer zu uns und bleibt bis um ein Uhr, und zu dem Unterricht sind nur allein der Fani und ich. Natürlich ist der Fani viel geschickter als ich, aber der Herr Lehrer ist so gut mit mir; wenn ich nichts kann, so sagt er nur ganz freundlich: ›Nun wollen wir aber recht tapfer sein, daß wir dem Bruder nachkommen!‹ Nun muß ich nie, nie mehr Angst haben, daß ich die Aufgaben nicht machen kann und daß ich mich dann nachher schämen muß vor allen Kindern in der Schule. Es ist aber immer so schnell ein Uhr, daß wir es nie glauben können, und immer freuen wir uns, daß es morgen wieder angeht. Wenn wir dann zu Mittag gegessen haben, gehen wir alle in den Garten hinaus; dann geht Frau Stanhope immer mit dem Fani und er muß ihr erzählen von den Stunden und was er will, und man kann schon sehen, Frau Stanhope hat ihn sehr gern, natürlich viel lieber als mich, denn Du weißt schon, wie er ist. Er kann alles sagen, was er denkt, und kann so gut seine Freude zeigen und wie furchtbar froh er ist, daß er da sein darf und daß er es so gut hat. Und das alles sagt er immer wieder der Frau Stanhope so vorweg, wie es ihm in den Sinn kommt, und dankt ihr auf einmal vor Freuden tausend-, tausendmal und hält ihre Hand fest; und wenn er dann so ganz voll Glück zu ihr aufsieht, dann streichelt sie ihm das Haar und ist so freundlich mit ihm, wie ich nie Frau Stanhope gesehen habe, als nur zu der Nora. Aber ich kann nie tun wie Fani, und wenn ich schon ganz dasselbe im Herzen habe, so kann ich es nicht sagen, und Frau Stanhope glaubt gewiß gar nicht, daß ich so dankbar sei, und ich kann auch schon ganz gut begreifen, daß sie nie so zu mir ist, wie zum Fani. Aber die Tante Klarissa ist so gut mit mir, und wenn wir aus dem Garten kommen, dann bin ich bei ihr in einer Stube und sie lehrt mich so schöne Arbeiten machen und auch brodieren – wie Du kannst; und sag auch dem Oskar, wenn wir vielleicht keine Mitglieder in den Verein finden, so will ich ihm dafür noch eine Fahne zu dem großen Fest brodieren – Tante Klarissa hat es mir schon erlaubt –; er soll mir dann nur schreiben, was für ein Spruch darauf muß. Unterdessen hat in der anderen Stube der Fani Unterricht im Zeichnen; dazu kommt ein anderer Lehrer und bleibt zwei Stunden lang. Frau Stanhope sitzt dann fast immer dabei, weil es ihr so große Freude macht, daß der Fani so schnell lernt und schon ganz schöne Sachen zeichnet.
    »Nachher gehen der Fani und ich noch allein in den Garten und laufen herum in alle Ecken, denn da stehen allenthalben die schönen Bänke und weiße, steinerne Figuren, und das ist so schön, und der Garten ist so groß und geht bis an den Rhein hinunter, und dort stehen die großen, schönen Lindenbäume, und es ist so herrlich und prächtig überall, daß es auf der ganzen Welt nicht schöner sein könnte. Sag auch dem Fred, daß ich gewiß immer auf die Käfer sehe, aber ich kann sie nicht fangen; er soll aber nicht bös werden mit mir, vielleicht fang’ ich doch
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