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Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Heidi und andere klassische Kindergeschichten

Titel: Heidi und andere klassische Kindergeschichten
Autoren: Johanna Spyri
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wie wohl es der Nora nun ist, da sie gar nie mehr krank sein wird.«
    »O, wenn sie mich nur mitgenommen hätte«, schluchzte das Elsli, denn der Gedanke hatte sich so lange und tief bei ihm festgesetzt, daß sie dann miteinander gehen würden, und nun war die Hoffnung dahin und es war zurückgeblieben und nun so allein! Leise weinend ging es an der Seite der Frau Doktorin dahin, und auch als diese bei dem aufsteigenden Wiesenwege sagte: »Nun trennen wir uns; schlaf wohl, Elsli, und komm bald einmal zu uns«, zog es sein Schürzchen nicht von den Augen weg. Leise sagte es: »Gute Nacht!« und ging den Fußweg hinan, und immer hörbarer wurde sein Schluchzen, je weiter es von der freundlichen Begleiterin wegkam und je einsamer der Weg wurde, den es zu gehen hatte.
    Die Mutter trat mit einem traurigen Herzen in das Haus ein, wo sie die Kinder alle um die Tante gelagert fand, stiller und nachdenklicher, als sie gewöhnlich waren. Die Tante hatte ihnen erzählt, daß die Nora gestorben und in den Himmel gegangen sei, was ihnen einen tiefen Eindruck gemacht hatte, jedem in einer besonderen Weise. Fred hatte gleich eine Menge Fragen und wollte genau wissen, wie Menschen sterben und wieder leben können. Emmi war sehr niedergeschlagen, denn es kam ihr nun in den Sinn, daß sie niemals mehr zu Nora zurückgekehrt war und ihr gar keine Freundlichkeit erwiesen hatte. Ganz still zogen sich heute die Kinder zurück, und als am späten Abend Mutter und Tante noch allein zusammensaßen, mußte die erstere der teilnehmenden Schwester noch den ganzen Kummer ausschütten, der ihr Herz so schwer machte. Da war die arme Mutter, die ihr einziges Kind in die Erde legen mußte und der mit keinem Worte des Trostes beizukommen war. Da war das zarte Elsli, das nun an die harte Arbeit zurückkehren mußte, die vielleicht so sehr über seine Kräfte ging, daß es sie nicht lange aushalten konnte. Dazu war es nun doppelt verwaist; die nahe Freundin, durch die es in ein neues Leben eingetreten war und in der es ganz gelebt hatte, war für immer weggegangen, und der Bruder Fani, an dem es mit aller Liebe hing, war fort, und vielleicht ja auch für immer fort; wer konnte wissen, wo der bleiben würde! Diese letztere Sache lag der Mutter auch als eine Last auf dem Herzen; war ja doch Emmi schuld daran und das ganze Unternehmen so unsicher, daß man nicht einmal die Zuversicht haben konnte, Fani lerne da wirklich etwas Rechtes, das ihm für seine Zukunft von Nutzen sein konnte. Die Tante hatte einer Bekannten nach Basel geschrieben und sie gebeten, den Mann aufzusuchen, bei dem Fani eingetreten sein mußte, und ihr Nachricht über den Charakter des Mannes und das ganze Verhältnis zu geben. Es war auch schon eine Antwort gekommen, sie war aber nicht gemacht, große Hoffnungen für Fani zu erwecken. Der Dekorationsmaler hatte den Fani wirklich in seinen Dienst genommen, da er Gefallen an dem offenen Wesen des Jungen fand, der ihm so zugelaufen kam und gleich seine ganze Geschichte erzählte. Der Maler hatte aber nur einen Buben gesucht, der ihm die großen Pinsel und Farbtöpfe nachtrage und ihm alles reinigen helfe und für ihn auslaufe. Dafür bekam er seinen Unterhalt von dem Meister, für seine Kleider sollte er aber selbst sorgen. Das war nun gar keine glänzende Anstellung für den Fani, und die Mutter riet bekümmert hin und her, was nun wohl das Beste wäre, das man tun könnte. Für einmal waren seine Eltern ja freilich damit einverstanden, daß er fortbleibe, da er keine bestimmte Anstellung habe; aber sie nahmen an, er verdiene wenigstens so viel, daß sie in keiner Weise mehr für ihn zu sorgen hätten, daß er im Gegenteil nächstens für sie eine Nachhilfe sein werde. So hatte die gute Mutter zu den alten immer wieder neue Sorgen zu tragen, und manchmal schon wäre ihr diese große Last zu schwer geworden, wenn die Tante nicht immer mitgetragen und durch ihre frohe Gemütsart jedem Kummer gleich auch eine erfreuliche Seite abgewonnen hätte. So hatte sie auch heute manches tröstende, erheiternde Wort für die Mutter, so daß auch diese zuletzt wieder mit Hoffnung und Zuversicht auf die kommenden Tage sehen und alles Sorgenerregende dem lieben Gott anheimstellen konnte.
    Am folgenden Morgen bat Emmi etwas niedergeschlagen um die Erlaubnis, der Nora Blumen bringen und auf ihr Bett legen zu dürfen. Die Mutter erlaubte es gern und auf Freds Ansuchen hin auch, daß er Emmi begleite. Später wollte auch sie selbst nachkommen und Frau
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