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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen
Autoren: Christoph Marzi
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dringenden Notfällen zu öffnen sei.
    »Notfall«, murmelte David laut, weil er irgendetwas laut murmeln musste, »heftiger Notfall.«
    Einen Spaltbreit öffnete er die Luke. Eisig kalte Luft strömte sofort in die Gondel. Schneeflocken trafen ihn im Gesicht.
    Es war windig da draußen oder besser gesagt: stürmisch.
    David sprang von den Plastiksitzen und rannte zur Glasfront zurück.
    Heaven widersetzte sich den beiden Männern noch immer. David schätzte den Abstand zu der über ihm liegenden Gondel und sprang wieder auf den Schalensitz.
    Diesmal zog er sich mit beiden Armen hoch, schob sich durch die enge Luke und lag einen Moment mit flachem Bauch auf dem Dach der Kapsel.
    Der Wind hier oben war kräftig und bösartig. Ein falscher Tritt und er würde gut hundert Meter in die Tiefe fallen, mit ein wenig Glück sofort in der Themse ertrinken, mit ein wenig mehr Pech auf dem Asphalt aufschlagen.
    Einen Krankenwagen würde er dann nicht mehr brauchen, eher die Straßenreinigung.
    Scheißhoch war das.
    David dachte daran, wie sehr er die Dächer von Londonliebte. Kinderspiel im Gegensatz zu dem hier. Abgesehen davon, dass es tiefste Nacht war, was die Sache nicht einfacher machte.
    Drüben, in der anderen Kapsel, sah Mr Sims, was er vorhatte. Und David sah, was Mr Sims erkannte.
    Mr Sims war der Erste, der handelte. Er gab Mr Drood Anweisungen. Vier Kapseln über David öffnete sich ebenfalls die Notfallluke und Mr Drood kletterte auf das Dach des ellipsenförmigen Gebildes, sprang von dort auf das Gestänge des Rades und hangelte sich vorwärts. Er sah grotesk aus in seinem biederen Anzug, mit dem gescheitelten Haar, das so gar nicht zu seinen Raubtieraugen passen wollte, und dem gekrümmten Messer, das er mit weiß blitzenden Zähnen festhielt.
    Er war schnell, höllisch schnell.
    Okay, das würde die Sache erschweren, aber was hatte er erwartet?
    David schaute sich um.
    Immer noch lag er auf dem Bauch. Es war eisig kalt hier oben, wenn er noch länger zögerte, würden seine Muskeln nicht mehr geschmeidig genug für das sein, was er vorhatte.
    Vorsichtig stand er auf, packte eine Stahlstange direkt vor sich mit beiden Händen.
    Die Verstrebungen gaben ihm wenig Platz, um zu manövrieren. Die Kapsel schaukelte, sobald er sich bewegte. Er warf einen schnellen Blick auf die großen Scharniere, mit denen die Gondel am Riesenrad gehalten wurde. Sie waren zerstört oder einer Belastung ausgesetzt, der sie nicht lange standhalten würden. Schwarze Pakete klebten an mehreren Stellen.
    Sprengstoff.
    David warf einen Blick nach vorn, wo Mr Drood sich ihm näherte. Es gab nur einen Weg – den Weg an ihm vorbei.
    Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen, darauf bedacht, nur nicht in die Tiefe zu schauen. Er machte sich zunutze, was er auf den Dächern gelernt hatte: sich mit dem Wind zu bewegen und die Balance zu finden, obwohl es einem kalt an den Kleidern zerrte.
    Er hangelte sich einige Streben weit, suchte Halt sogar an den mächtigen Schrauben, die hier und da aus dem Metallrahmen hervorstachen. Die Oberflächen des Rades waren glatter und rutschiger als jedes moosbedeckte Ziegeldach, auf dem er geklettert war. Zudem machte es die langsame Drehung schwer, einen festen Halt zu finden.
    David streckte die Arme aus. Er musste den Wind und die Schwingungen des Rades ausbalancieren, sonst würde er unweigerlich in den Abgrund stürzen.
    Er wartete eine Böe ab, dann hangelte er sich vorwärts.
    Okay, nächste Strebe. Er atmete tief durch, aber genau in diesem Moment ließ ihn ein unerwarteter Ruck des Rades taumeln.
    Scheiße, dachte er und fiel.
    Er ruderte mit den Armen und irgendwo in einer Ecke seines Hirns wurde ihm bewusst, dass sein letzter Gedanke nur Scheiße gewesen war. Dann spürte er Metall an den Fingerspitzen und instinktiv schlossen sich die Finger zu einem festen Griff. Die andere Hand suchte den Halt, den die erste Hand gefunden hatte.
    David keuchte. Sein Atem war eisiger Nebel in der Luft.
    Er wollte nicht nach unten schauen, tat es aber doch. Dieroten Chucks baumelten über einem Abgrund, der niemals gnädig sein würde. Schmerz zerrte an seinen Armen, flüsterte ihm zu, loszulassen, sich fallen zu lassen, aufzugeben.
    »Nein!«
    Davids Schrei klang durch die Nacht. Er schaukelte hin und her, pendelte, versuchte, mit den Füßen eine Strebe zu erreichen.
    Fuck, wo war das verdammte Ding?
    Endlich verhakte er sich mit einem Bein, drehte den Körper so, dass er die Rotation des Rades fühlen
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