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Havelwasser (German Edition)

Havelwasser (German Edition)

Titel: Havelwasser (German Edition)
Autoren: Jean Wiersch
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hatte er keine guten Erinnerungen, da er scharfe Speisen überhaupt nicht vertrug und eigentlich die mediterrane jeder anderen Küche vorzog. „Indisch? Muss das wirklich sein, Schatz? Ich bin Italiener und …“
    „Halbitaliener! Dein Vater war ein deutscher Diplomat“, fiel ihm Kerstin ins Wort und schlug ihn mit seinen eigenen Waffen. „Bitte, bitte.“
    Was sollte er jetzt noch entgegnen? Sie kommandierte die Familie mit sehr verführerischen Mitteln, und da er und die Mädchen davon stark profitierten, ließen sie sich immer wieder darauf ein. Nicht nur wegen fehlender Gegenargumente, sondern auch immer, um ihr einen Gefallen zu tun. „Gut, dann eben indisch.“
    Schon fünf Minuten später saßen sie an einem Tisch auf der herrlichen Terrasse, die jedem Gast einen ungehinderten Blick auf den Stadtkanal gönnte und so eine Atmosphäre schuf, die in dieser Stadt nur noch im Fontaneclub und dem darüber liegenden italienischen Restaurant geboten wurde.
    Sie freuten sich beide und stießen mit dem Begrüßungsprosecco an, der längst nicht mehr überall üblich war.
    „Ich liebe dich. Immer“, sagte Kerstin und setzte das Glas an ihre Lippen.
    „Ich dich auch.“ Dann trank auch Manzetti. „Wenn ich morgen alles schaffe, könnten wir vielleicht doch noch in den Urlaub fahren. Was meinst du?“
    „Gerne“, antwortete Kerstin und freute sich sichtlich. „Hast du noch viel zu tun morgen?“
    „Nein. Ich denke nicht, denn die wesentlichen Aussagen sind getroffen. Wir müssen alles nur noch mit dem objektiven Befund abstimmen, aber das dürfte nicht so kompliziert sein. Warum fragst du?“
    „Das Motiv der Morde. Es liegt also wirklich beim Tierschutz?“
    „Und in dem Wunsch nach Rache für den Tod ihres Vaters.“
    „Es gibt also keine Kinderschänderszene in Brandenburg?“
    „Nein. Offensichtlich nicht. Was soll das, Kerstin?“
    Sie stellte ihr Glas mit einer schnellen Bewegung auf die Steinplatte des Tisches. „Dann lass sie doch gehen.“
    „Wen? Verena Becker?“
    „Nein, die nicht.“
    „Wen dann?“
    „Deine Tochter!“
    Manzetti sackte in sich zusammen. Daran hatte er nun wirklich nicht mehr gedacht. „Zu dieser Party? … Ich weiß nicht. Ich habe Bedenken, ich meine … sie ist doch erst vierzehn.“
    „Wenn wir in den Urlaub fahren, sind die Kinder bei Irene und Herbert. Überlass Irene die Entscheidung. Sie wird die richtige treffen.“
    Er hatte längst verloren, und seine Gegenwehr war nur noch eine Zugabe für die Galerie. Reine Makulatur. „Aber wenn sie zu leichtfertig entscheidet?“
    „Irene?“
    „Ja, ich meine …“
    „Andrea, hat sie früher leichtfertig entschieden, als du zur Disco wolltest?“
    „Nein, aber das war doch etwas ganz …“
    „… anderes? Ich glaube nicht. Jedenfalls nicht aus Laras Sicht.“
    „Also gut. Soll Irene entscheiden. Und hier entscheidest du“, sagte er spontan und schob die Speisekarte zu ihr rüber. „Ich habe ja wohl nichts mehr zu sagen in dieser Familie.“
    „Schmoll nicht“, sagte sie mit der ihr eigenen Fröhlichkeit und stieß noch einmal mit ihm an. Dann winkte sie dem Kellner und bestellte für beide ein Hühnchencurry – wenig scharf – und vorher eine Suppe, deren Namen Manzetti zweimal lesen musste, bevor er ihn aussprechen konnte.

28
    Am nächsten Morgen stand Manzetti etwas verkatert auf, denn entgegen seiner Gewohnheit hatte er noch viel zu viel Rotwein getrunken, nachdem Kerstin müde in ihr Bett gefallen war. Er musste dringend nachdenken, obwohl ihm das mit jedem neuen Glas schwerer fiel, aber nach der zweiten Flasche Barolo waren die guten Vorsätze regelmäßig sowieso verschwunden. So kippte er nun einen Espresso nach dem anderen in sich hinein und fühlte mit der Zunge den pelzigen Belag auf seinen Zähnen.
    „Lass doch Sonja die Vernehmung machen“, schlug Kerstin vor.
    „Ich bin der leitende Ermittler“, war seine mürrische Antwort, und darauf verschwand er im Bad, aus dem bald das Geräusch der elektrischen Zahnbürste zu hören war.
    Als er wieder im Wohnzimmer auftauchte, küsste er seiner Frau ganz sanft den Nacken und fragte: „Fährst du mich?“
    „Aber sicher.“ Sie erwiderte seinen Kuss und schob eine Bitte hinterher. „Darf ich sie sehen?“
    „Wen?“
    „Verena.“
    „Wir sind doch kein Zoo.“
    „Wenigstens auf dem Flur. Ich bin auch ganz ruhig und stelle keine Fragen.“
    „Also gut“, willigte er ein und biss von ihrem Croissant ab.
    In der Direktion brachte er Kerstin in
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