Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Havelwasser (German Edition)

Havelwasser (German Edition)

Titel: Havelwasser (German Edition)
Autoren: Jean Wiersch
Vom Netzwerk:
gelohnt?“, fragte Manzetti weiter, als sie sich noch immer in tiefes Schweigen hüllte. „Hat es sich gelohnt, den Tod Ihres Vaters auf diese Weise zu rächen? … In der Politik lässt man sich in ähnlichen Situationen zu Begrifflichkeiten hinreißen, die schändliches Tun bagatellisieren sollen. Wenn bei einem Raketenangriff unschuldige Menschen sterben müssen, Frauen und Kinder, dann nennen das herzlose und arrogante Politiker lapidar Kollateralschaden. Ist der Tod Ihrer jungen Kollegin wirklich so nebensächlich, so kollateral?“
    „Nebensächlich?“, fragte sie scharf zurück. „Nebensächlich?“ Offenbar hatte der introvertierte Manzetti genau den Nerv der extrovertierten Verena Becker getroffen. Den Nerv, der sie in der weiteren Folge zum Verlierer dieser Unterhaltung machen sollte.
    „Sieht so aus, Frau Becker. Wenn der Tod eines unschuldigen Menschen billigend in Kauf genommen wird, dann ist er wohl nebensächlich.“
    „Was wissen Sie denn? Ich habe Sie ausgewählt, weil ich davon ausging, dass Sie für meine Mission intelligent genug sind“, schrie sie ihm entgegen. „Aber da habe ich mich wohl doch getäuscht. Kommen Sie mir jetzt bloß nicht mit menschlichen Moralvorstellungen. Die taugen nämlich nicht mal als Suppengrün.“
    „Sie würzen vielleicht nicht das Leben, aber sie ermöglichen immerhin das Zusammenleben in unserer Gesellschaft, oder?“ Manzetti zwang sich zu äußerer Ruhe.
    „Die Moral als Stütze der Gesellschaft?“ Sie schrie immer noch und rutschte auf dem Stuhl herum. „Die Stütze unseres Zusammenlebens ist das Dollarzeichen in den Augen der Menschen, und dafür nehmen sie in Kauf, dass Lebewesen, wie sie es selbst ja auch sind, ausgerottet werden. Nur Profit zählt. Nur Geld, Herr Manzetti.“
    „Und deshalb haben Sie Weinrich und Ihren Mann getötet?“
    Sie sah finster zu ihm herüber. Gift und Galle quoll aus ihren Augen.
    „Warum, Frau Becker? Warum?“
    „Nach dem, was Sie gerade gesagt haben, weiß ich nun wirklich nicht mehr, wie ich Ihnen das erklären soll.“
    „Dann lassen Sie uns das alles aufdröseln?“, sagte er ruhig.
    „Das ist ein nettes Wort … Aufdröseln. Also gut, dröseln wir das auf. Was wollen Sie wissen?“
    „Wie kamen Sie an Weinrich?“
    „Fred Weinrich stand einer katholischen Mission im Norden Namibias vor und betreute neben dem Caprivizipfel auch Gebiete Botswanas. Er hatte ein Laster, und das zwang ihn später, Dinge zu tun, die er besser hätte bleiben lassen.“
    „Nämlich?“
    „Das wissen Sie doch längst. Was fragen Sie mich also?“
    „Aber deswegen haben Sie ihn nicht ermordet.“
    „Nein, deshalb nicht. In dieser Hinsicht war er ein Schwein wie viele andere auch. Sein Fehler war, dass er sich von einer Gruppe erpressen lassen hat, die in Namibia, Botswana und Zambia Elefanten und Nashörner jagte. Davon wusste auch mein Vater und er war dicht dran, ihnen das Handwerk zu legen. Dicht dran, und deshalb haben sie ihn einfach erschossen. Wie eine Oryxantilope. Einfach abgeknallt aus wenigen Metern Entfernung und direkt auf seiner Farm.“ Sie ballte beide Fäuste, bis jedes Blut aus ihnen gewichen war.
    Manzetti saß reglos da und wartete.
    „Mein Vater hatte mir aber vorher schon berichtet, dass er den Verdacht hatte, dass diese Gruppe ihre Beute in der Kirchenstation zwischenlagert und von dort auch verschickt. Also machte ich mich an den Diakon ran, dem ja mittlerweile ein gewisser Ruf vorauseilte. Es war auch gar nicht so schwierig und Fred Weinrich ziemlich glücklich, dass er es nicht mehr mit Minderjährigen zu tun hatte, die auch noch Forderungen stellten. Ich war da wesentlich pflegeleichter. So kam ich ganz dicht an ihn heran, und eigentlich war er ein richtiges Weichei, denn er beichtete mir alles. All die Erpressungen und all die Forderungen, die aus der Gruppe heraus an ihn gestellt worden waren. Bei diesen Schweinereien hatte er einen Kontaktmann, einen Lehrer mit dem Namen Martin Becker.“
    „Also schwenkten Sie um, weil Sie ins Zentrum des Spinnennetzes wollten.“
    „Sehr gut, Herr Manzetti. Ich schwenkte tatsächlich um, und zu allem Übel verliebte diese Bestie sich auch noch in mich.“
    „Das sagte uns auch sein Vater.“
    „Ist ja auch egal. Jedenfalls war er innerhalb der Organisation viel bedeutender als Weinrich. Außerdem war er Kunstlehrer und hatte großes Talent als Bildhauer. Aber er missbrauchte dieses Talent, indem er aus dem Elfenbein schon vor Ort Figuren schnitzte. Es ging
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher