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Haut aus Seide

Titel: Haut aus Seide
Autoren: E Holly
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besinnen, sonst würden sie sich in der nächsten Minute an die Kehle gehen.
    »Später«, sagte er nur. »Komm doch heute Abend zum Essen nach Hause. Ich mache Würstchen mit Kartoffelbrei, und wir trinken eine Flasche Pouilly-Fumé.«
    »Und tun so, als wäre nichts passiert.«
    »Und tun so, als wäre nichts passiert«, stimmte er zu, konnte es aber doch nicht ganz dabei belassen.
    Er nahm Béatrix’ Gesicht in seine Hände und strich mit dem Daumen über ihre breiten, irischen Wangenknochen. Die hatte sie von ihrem Vater. Laut Eve ein Vagabund, der weitervagabundiert war, noch bevor Bea mehr als ein Verdacht gewesen war. Von ihrer Mutter hatte die Kleine nur den Geist und den Namen. Eve war schlank und hellhäutig gewesen. Beas Augen waren so braun wie regennasse Erde und ihr Mund so breit wie der eines Clowns. Sie hatte ein wundervolles Gesicht, samtweiche Haut, Sommersprossen und Brauen, die ständig
nach oben gezogen waren, so als wäre sie permanent überrascht. Ein Gesicht, das für Sonnenschein und Gelächter gemacht schien. Wenn er doch nur wüsste, wie er ihr diese Dinge geben konnte. Sie mochte es zwar nicht glauben, aber er liebte sie sehr.
    »Jetzt werd mal nicht rührselig«, fuhr sie ihn an, als sie seinen gefühlvollen Blick bemerkte. »Deiner war nicht der erste Schwanz, den ich erobert habe. Und es wird ganz sicher auch nicht der letzte gewesen sein.«
    »Was das angeht, habe ich keinerlei Zweifel«, erwiderte Philip. Eigentlich hatte er nur ein bisschen sein Ego aufpolstern wollen, aber seine Wangen wurden wieder rot, als er an ihre geschickte Zunge dachte. Sie war gut gewesen. Unglaublich gut.
    Vorsicht , dachte er und gab sich in Gedanken einen kleinen Hieb auf den noch immer zuckenden Schwanz. Dieser Boden war so gefährlich, dass ein Mann in seiner Position es sich kaum leisten konnte, ihn zu betreten.

Zwei
    Béatrix verließ den glitzernden Büroturm. Es war ein herrlicher Tag; kaum ein Wölkchen stand am Himmel, um das blasse Blau des Himmels zu verunstalten. Die Seine floss friedlich unter der Brücke von Pont de Neuilly hindurch. Auf dem Wasser glitt ein Aussichtsboot dahin , dessen zwei Decks voll besetzt mit Touristen waren. Das Boot wirkte wie eine Matrone, die sich mit ihren breiten Hüften zu einer majestätischen Rundfahrt aufgemacht hatte.
    Die junge Frau verkniff es sich, zur nächsten Anlegestelle zu laufen. So gern sie den Tag verschwendet hätte – besonders wenn sie an den Verkehr dachte, der sich auf die Place de l’Étoile zuwälzte -, musste sie sich doch um verschiedene Dinge kümmern. Ihre Mutter hatte ihr ein beträchtliches Vermögen hinterlassen, und sie fühlte sich dazu verpflichtet, etwas dafür zu tun. Philip gab einen recht passablen Vorstandsvorsitzenden ab, doch sie wusste, dass ihr Stiefvater zu kämpfen hatte. Alle – Banker, Kunden, Händler – wollten sehen, ob Evangelines Zuchthengst das Zeug dazu hatte, die Clouet -Shops zu leiten. Dass er schon eine ganze Weile zuvor recht viel Verantwortung übernommen hatte, spielte dabei keine Rolle. Eve war gegangen, und ihr Einfluss konnte ihn jetzt nicht mehr retten, wenn er einen falschen Schritt tat.

    Philip war allerdings ausgebuffter, als die meisten Leute glaubten – und auch viel fleißiger. Alles konnte er aber auch nicht schaffen, und genau deshalb hatte Béatrix sich vorgenommen, den Nachmittag in der Boutique auf der Rue de Faubourg zu verbringen. Von allen Angestellten in den zahlreichen Filialen waren die Pariser diejenigen, die sich am langsamsten der neuen Führung anpassten. Sie schienen zu glauben, dass es zu ihren heiligen Pflichten als Französinnen gehörte, die Kundschaft mit Verachtung zu strafen. Béatrix war sich nicht sicher, ob sie die Damen auf einen freundlicheren, sanfteren Umgangston einschwören konnte. Wenn sie es nicht schaffte, würde es Philip ganz bestimmt nicht gelingen. Disziplin war nicht gerade seine Stärke.
    Mit energischem Gesichtsausdruck schloss sie ihr Fahrrad auf, zog den Helm über ihren Lockenkopf und bereitete sich auf den Kampf mit dem Pariser Verkehr vor. Und was für ein Kampf das war – auch wenn die Entfernung zum Laden relativ gering war. Nachdem zwei unachtsame Autofahrer tatsächlich ihre Beine gestreift hatten, wich sie in Richtung der Kastanien auf den Fußweg aus. Dort erntete sie sofort die unvermeidlichen bösen Blicke, als ein Meer von Cafétischen sie beiseitedrängte. Die junge Frau entschuldigte sich zwar bei den Passanten, spürte aber
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