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Haus der Sünde

Haus der Sünde

Titel: Haus der Sünde
Autoren: P Costa
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zugeschnitten zu sein schien.
    »Lass mich in Ruhe, Doktor Bowman«, murmelte sie. Dann gab sie es auf, aus Tristans Zahlenkolonnen an diesem Tag noch schlau zu werden. »Du hast die wunderbare Felicity, und ich habe meine Freunde und ein brandneues Leben. Du warst wirklich hinreißend, aber jetzt ist es eben vorbei.«
    Und in gewisser Weise hatte sie sich inzwischen auch weiterentwickelt. Die lethargische, deprimierte Claudia, die um ihren Mann trauerte und nicht wusste, wohin sie sich in ihrem Leid wenden sollte, war verschwunden. Seit dem plötzlichen Eintreffen und dem ebenso plötzlichen Verschwinden Pauls hatte sie sich vollkommen regeneriert. Auch wenn sie Geralds Geschäft noch nicht völlig überblicken konnte, so hielt sie nun doch die Zügel in der Hand – vor allem, seitdem Richard Truebridge von ihr entlassen worden war. Sie fand die Aufregung des Kaufens und Verkaufens ungewöhnlich sexy. Die Zahlen, die sie bis vor einem Augenblick noch studiert hatte, waren Prognosen für das neue Hotel gewesen und hatten sie angefeuert und belebt. Sie fühlte sich unruhig und erhitzt. Es war wirklich schade, dass Tristan ausgerechnet heute irgendwo
in London sein musste und sich nicht um sie kümmern konnte. Später wollte sie noch Melody treffen und ihr bei der Renovierung eines kleinen Cottage, das ihre Freundin nun besaß, helfen. Beatrice arbeitete oder hatte zumindest behauptet, das zu tun. Also befand auch sie sich gerade in ihrer eleganten Londoner Wohnung.
    »Gütiger Himmel. Ich hoffe nur, dass diese Hitzewallung wieder vorübergeht«, murmelte Claudia, als sie das Arbeitszimmer und Tristans Berechnungen hinter sich ließ. Ihre Baumwollbluse war auf einmal ganz klebrig, und auch die Jeanshose, die ihre Figur eigentlich hübsch betonte, fühlte sich einen Zentimeter zu eng an. Sie fuhr sich mit den Fingern durch den Pony und stellte fest, dass ihre Stirn tatsächlich feucht war.
    Natürlich war das Wetter nicht gerade hilfreich. Es war ein drückender, schwüler Tag – der heißeste seit einer Woche. Und das, obwohl der Sommer allmählich vorüber war.
    Der Garten braucht genauso wie ich eine Dusche, dachte sie und holte sich eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank. Als sie in der Ferne ein Donnern vernahm und bereits nach wenigen Sekunden die ersten Regentropfen fielen, wusste sie, dass ihr Rasen schneller zu seiner Dusche kommen würde als sie.
    »Fantastisch! Ein Unwetter ist genau das, was ich jetzt benötige, um Paul zu vergessen!«, flüsterte sie und nahm einen Schluck Wasser aus der Flasche. Sie trug das Mineralwasser ins Wohnzimmer, ohne überhaupt daran zu denken, auch ein Glas mitzunehmen.
    Als sie ihre CD-Sammlung durchsuchte, um sich zu überlegen, was sie jetzt hören wollte, schob sie Madame Butterfly sogleich beiseite – zu Gunsten Faurés Requiem . Vielleicht würde diese Musik sie ein wenig trösten. Zumindest war es eine Aufnahme, die sie während Pauls Aufenthalt in ihrem Haus
nicht gespielt hatte, sodass sie der Musik lauschen konnte, ohne ständig an ihn erinnert zu werden.
    Zuerst schien diese Musik auch die gewünschte Wirkung zu erzielen. Als das Sanctus gespielt wurde, fühlte sich Claudia ziemlich entspannt. Doch als die ätherischen Stimmen und das Solo der Violine ineinander flossen, wurde ihr Gefühl von Ruhe auf eine Weise zerschlagen, die nicht heftiger hätte sein können. Gerade als die ersten Töne des Hosanna erklangen, klopfte es wie zur Antwort an ihre Haustür.
    Nein! Sei doch nicht so dumm! Es ist nur ein Zufall, redete sich Claudia ein, während sie vom Sofa aufstand und auf den Weg machte, um zu sehen, wer da auf ihrer Schwelle stand. Wenn du der Arie aus Madame Butterfly gelauscht hättest, dann wäre es durchaus möglich gewesen, dass dir deine Fantasie einen Streich spielte und du dir einbildetest, Paul hätte an die Tür geklopft. Aber du hast nicht Madame Butterfly gehört. Das hast du nicht. Und er steht auch nicht vor der Tür.
    Doch Paul stand vor der Tür. Als sie öffnete, erhellte gerade der erste Blitz das Gesicht, von dem sie behauptet hatte, dass sie es zu ihrem Glück nicht brauchte.
    Doktor Paul Bowman trug nicht die Art von Kleidung, die sie bei einem anerkannten Akademiker erwartet hätte. Ganz und gar nicht. Kein Jackett aus Tweed, keine Wildlederflicken auf den Ellenbogen und keine Cordhose. Auch kein Pullover in einer gedämpften Farbe. Was beinahe genauso schockierend war wie sein plötzliches Auftauchen, war die Tatsache, dass er
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