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Hauptsache, es knallt!

Hauptsache, es knallt!

Titel: Hauptsache, es knallt!
Autoren: Matthias Sachau
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halbnackt, dann ganz nackt im Fackelschein in wildeste Ekstase tanzten. Und sie sollte dazu auf Indianertrommeln trommeln und singen. Lashatak-Kaniwuki nennt man das unter Indianerkennern. Es endete in einem Wolkenbruch. Und als Janina am Ende zusammen mit ihren Eltern klatschnass durch den Schlamm zum Auto zurückgewatet ist, da hat irgend­etwas tief in ihr drin beschlossen, dass ihre eigene Hochzeit der schönste Tag ihres Lebens werden muss. Mit Brautkleid, Torte, Schloss und allem Drum und Dran. Kann man nachvollziehen, finde ich.
    »Aber was genau macht dir denn Sorgen, Janina?«
    Die Sonnenstrahlen spiegeln sich auf ihrem glän­zenden braunen Haar. Sie seufzt und zuppelt an dem ­Zuckertütchen auf ihrer Untertasse herum. Ihr Blick schnellt durch den Raum, als wäre ihr eine Herde Flöhe entkommen. Ich kann ihre Aufregung ja ein bisschen verstehen. Andererseits, lassen wir die Kirche im Dorf, das Wichtigste bei dieser Hochzeit stimmt schon mal: Janina und Markus sind das tollste Paar der Welt. Seit der Schule zusammen und nur ein einziges Mal getrennt, als Markus das eine Jahr in Barcelona war. Aber dann kam er wieder zurück, und peng, waren sie gleich wieder zusammen und so weiter.
    Also, wenn zwei Leute wirklich ruhig mal heiraten können, dann Janina und Markus. Das sagt sogar einer wie ich, der Veränderungen sonst überhaupt nicht leiden kann. Aber bei denen verändert die Hochzeit ja auch gar nichts. Sie wohnen schon ewig zusammen, haben sich gemeinsam eine riesige Couchlandschaft gekauft und denken laut über Kinder nach. Kommen halt jetzt noch die Ringe dazu, fertig. Kein Problem für mich. Nur wenn die Hochzeit schiefgeht, das … oh ja, das könnte tatsächlich etwas zwischen den beiden verändern. Wie ein gigantischer Troll poltert dieser Gedanke auf einmal durch meinen Kopf. Mist. Jetzt werde ich auch unruhig. Und wie. Bauch, Herz, kleiner Finger, Urin, alle Winkel des Körpers, die als Sitz des mensch­lichen Instinkts gelten, brüllen mir plötzlich ins Ohr, dass irgendeine große Gefahr über dem Glück der beiden schwebt. Und je länger ich darüber nachdenke, umso mehr wollen auch meine Hände nach einer Zuckertüte grapschen und daran zuppeln.
    »Ich weiß nicht, Tim, vielleicht bin ich einfach nur zu nervös.«
    Dachte ich eben auch noch, aber jetzt nicht mehr. Trotzdem, ich muss ja nicht gleich Öl ins Feuer gießen.
    »Klar bist du nervös, Janina. Wäre ich auch. Wäre jeder. Aber das hat gar nichts zu bedeuten. Es wird wunderschön, du wirst sehen.«
    Sie seufzt, und ihre Augen gehen wieder auf Wanderschaft. Nein, sie ist nicht nur nervös, sie hat was Bestimmtes auf dem Herzen. Bei ihr spüre ich das sofort. Ich kenne sie immerhin seit der ersten Klasse und … Da. Die malträtierte Zuckertüte platzt zwischen ihren Fingern auf. Und sie gibt sich endlich einen Ruck.
    »Okay, also, vielleicht ist es furchtbar doof für dich, Tim, aber kannst du dir das einmal anschauen?«
    Sie streift sich die Zuckerkrümel von den Fingern und zieht mehrere eng beschriebene Blätter aus ihrer Tasche.
    »Moment mal, Janina, das ist doch nicht etwa …?«
    »Doch.«
    »Oha. So viele?«
    »Tja. Allein Markus und ich hatten schon ohne Ende Gäste auf der Liste. Aber sieh dir mal an, wen seine Eltern dann noch alles dazu eingeladen haben.«
    Markus’ Eltern. Auch so ein Kapitel für sich. Das krasse Gegenteil von Janinas Hippie-Eltern. Seinem Vater, Torsten Mitscherlich, gehört »Auto Mitscherlich«, das größte Autohaus in ganz Salzminden. Und er ist natürlich mit Leib und Seele Autoverkäufer, sprich ein total verschlagener Hund, obendrein auch noch ein Angebertyp. Und Markus’ Mutter, Margitta Mitscherlich, züchtet Pimpinellifoliae-Rosen. Und die beiden bezahlen mit großer Geste die ganze Hochzeit. Dafür wollen sie aber auch Gott und die Welt einladen dürfen. Weil ganz Salzminden sehen soll, wie die Mitscherlichs es krachen lassen können.
    Wenigstens verstehen sie sich richtig gut mit Janinas Eltern. Ein kleines Wunder, finde ich. Aber hin und wieder passieren sogar bei uns in Salzminden, der Stadt, in der sonst nie etwas passiert, kleine Wunder.
    »Gut, dann lass mal sehen.«
    Janina legt die Liste auf den Tisch. Jetzt erkenne ich es erst. Sie hat die ganzen Namen über und über mit einem Gewirr aus Verbindungsstrichen, Anmerkungen und Gewitterblitzen bemalt. Es sieht erschütternd aus. Wie ein Schlachtplan. Die komplette Hälfte der Gäste scheint mit der kompletten anderen Hälfte der
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