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Hauptsache, es knallt!

Hauptsache, es knallt!

Titel: Hauptsache, es knallt!
Autoren: Matthias Sachau
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Gäste verfeindet zu sein. Und umgekehrt und mehrfach und kreuz und quer.
    »Hm, siehst du da nicht ein wenig zu schwarz?«
    »Vielleicht.«
    »Erzähl doch einfach mal.«
    »Wo soll ich anfangen?«
    Ach komm, Janina, so schlimm kann es auch wieder nicht sein.

Innerer Ritter
    »Und zu guter Letzt …«
    Wie jetzt, Janina ist immer noch nicht fertig? Ihr Vortrag Gästekonstellation vs. Traumhochzeit hat schon eine gefühlte Stunde gedauert. Ich sitze zwar immer noch aufrecht, aber das ist nur meine körperliche Hülle. Innen drin bin ich zu einem kleinen, vor Entsetzen erstarrten Häschen zusammengeschrumpft. Janina hat aus der harmlos aussehenden Gästeliste ein Szenario des Grauens herausdestilliert, das selbst Stephen King bis ins Mark erschüttert hätte. Und was sie sagte, war nicht nur schlimm, sondern auch logisch. Ihre Worte hätten sogar eine Gruppe hochkarätiger Psychologie-Professoren davon überzeugt, dass ganze Heerscharen von Gästen massive Probleme haben. Mit sich, mit anderen Gästen, meistens beides. Und selbst wenn sie alle einen gnädigen Tag erwischen, ich kann nur sagen: Gute Nacht.
    Janina sieht mich an. Es hat sie erleichtert, endlich mal mit jemandem über diese Freakversammlung reden zu können, keine Frage. Aber das löst die Probleme nicht. Und ich muss mich jetzt endlich auch mal dazu äußern. Schließlich spricht sie schon eine kleine Ewigkeit, und ich habe nichts weiter getan, als mit dem Kopf zu nicken. Aber mein Ich ist gerade, wie gesagt, ein erstarrtes Häschen. Meine äußere Hülle muss die Arbeit alleine erledigen. Mein Mund räuspert sich, holt Luft und kommentiert die Lage mit einem mutigen: »So, so.«
    Natürlich ist das nicht genug.
    »Im Ernst, Tim, was meinst du? Steigere ich mich da zu sehr rein?«
    Und jetzt schwingt sich mein Mund doch noch zu einer Heldentat auf. Ich weiß nicht, wo er es hernimmt, aber er findet ganz von alleine die richtigen Worte.
    »Auf jeden Fall steigerst du dich da zu sehr rein, Janina. Du bist einfach nur aufgewühlt, aber das ist auch kein Wunder. Entspann dich einfach, lass es auf dich zukommen und versuch nicht mehr drüber nachzudenken.«
    »Aber …«
    »Nichts aber. Die mögen alle noch so schräg drauf sein, an diesem Tag kommen sie nur, um euch ein schönes Fest zu bereiten. Du wirst sehen, jeder Einzelne wird auf seine Art alles dafür tun. Es wird wunderbar. Der schönste Tag deines Lebens. Versprochen.«
    Janina blinzelt mich unsicher an. Diese Rehaugen. Mit elf war ich ja mal heftig in sie verliebt. Und sagen wir so, Janina mochte mich auch, aber damals war sie halt noch nicht so romantisch. Händchen halten? Küssen? Was soll das? Da war sie wieder mehr so Eiche und konnte nur darüber kichern. Dass ich irgendwann damit klargekommen bin, war vielleicht das Schwerste, was ich je in meinem Leben geschafft habe. Sie ist bis heute meine beste Freundin geblieben, aber für Liebe und so Zeug musste dann erst viele Jahre später der große, knuddelige Markus daherkommen. Und plötzlich, schwupps, Eiche doch verliebt. Und Markus vermutlich der glücklichste Mann der Welt.
    »Na fein, wenn du das sagst, Tim. Irgendwie fühle ich mich jetzt schon etwas wohler.«
    »Sehr gut. Am besten, du unternimmst noch was Schönes und vergisst das Ganze.«
    »Ich versuche es. Wir fahren heute eh noch an den See. Oh, und ich muss dringend los. Markus wartet um drei am Waldemartor auf mich.«
    »Bestens. Und lass mir die Gästeliste einfach hier. Die erinnert dich zu sehr an die Hochzeit.«
    »Und du glaubst wirklich nicht, dass Tante Otti …?«
    »Nein.«
    »Oder dass meine Nichte Sinja …?«
    »Nein!«
    Ich pflücke ihr die Gästeliste aus der Hand. Janina gibt endlich auf. Sie drückt mich herzlich und verschwindet. Ich schaue ihr durch die Scheibe hinterher. Nicht zu glauben. Sie sieht jetzt wirklich entspannter aus. Ich atme tief durch und beobachte sie, bis sie hinter der nächsten Ecke verschwunden ist.
    Danach passiert Folgendes: Ein riesiger Stiefel erscheint in meinem Inneren und gibt meinem Häschen-Ich einen gewaltigen Tritt. Es schreckt hoch und zappelt herum. Der Stiefel holt zum nächsten Tritt aus, aber das Häschen hat schon verstanden. Es streift den Angst­hasenpelz ab und wird ganz schnell wieder zu einem Mann. Der Mann zieht sich seine Ritterrüstung an, schnappt sich seine Lanze und schwingt sich auf sein Pferd.
    Von all dem kriegen die Leute am Nebentisch natürlich nichts mit. Sie sehen nur, dass ich mein Handy aus der
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