Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
Säureattacken.
    Da er den Mantel schon überm Arm trug, war er nicht direkt zu mir gekommen, sondern hatte vorher bei Elsäßer vorbeigeschaut, wahrscheinlich um für Samstag ein Tennismatch im Club zu verabreden. Mit Sicherheit war er über den Toten auf dem Schulhof bereits bestens unterrichtet.
    »Danke, ich rauche nicht«, sagte Isolde.
    Richard lächelte väterlich und zündete eine Zigarette an. Isolde wusste nicht, wohin mit dem Mantel, und suchte nach einer tragfähigen Konversation.
    »Schluss für heute«, sagte ich noch einmal.
    »Mein Freund holt mich erst um sieben ab«, teilte sie Richard mit. »Kurt Holzer, vielleicht kennen Sie ihn. Er arbeitet bei TVCinema im internationalen Verkauf.«
    Richards Mimik wurde eine Spur wacher.
    »Er kennt zumindest einen Kollegen von Ihnen«, plapperte Isolde weiter. »Herrn Fuhr. Aber natürlich nicht dienstlich.« Sie lachte.
    »Verpiss dich!«, flüsterte ich ihr von hinten ins Ohr.
    Sie fuhr herum. »Wie war das eben?!«
    Ich winkte Fliegen scheuchend Richtung Tür.
    Sie straffte sich, raffte den Mantel an sich. »Das muss ich mir nicht bieten lassen! Nicht von Ihnen. Was kann ich dafür, dass Sie es nicht zu mehr gebracht haben als zu einer kleinen Lokaljournalistin?!«
    Und weg war sie. Richard löschte die Kippe in meinem Aschenbecher. »Glücklicherweise ist Elsäßer schon gegangen.«
    »Keine Sorge«, sagte ich. »Die konserviert ihren Zorn über Nacht und verlangt morgen meine Entlassung.«
    »Was hat sie dir denn getan?«
    »Oh! Es ist immer wieder erhebend zu erleben, wie unverbrüchlich du zu mir hältst.«
    »Ach weißt du, es ist doch stets eine rhetorische Herausforderung, Elsäßer davon zu überzeugen, was für eine fähige Kraft er mit dir verlieren würde, auch wenn es keinerlei objektive Belege dafür gibt. Übrigens …«
    »Nein, sag es nicht!«
    »Was den Schulhoftoten betrifft …«
    »Was geht dich das an?«
    »Könntest du dich in dieser Sache ausnahmsweise noch ein wenig zurückhalten?«
    »Wieso? Hinterzieht Otter Steuern? Veruntreut er Gelder des Vereins der Freunde des PHG? Hat er einen Schulcomputer für den Privatgebrauch abgezweigt?«
    »Du wirst verstehen, dass ich dazu im Moment keiner lei Stellungnahme abgeben kann.«
    »Hat Otter Marquardt umgebracht?«
    »Lisa, das ist kein Scherz. Einer ist schon tot.«
    Wenn ich da einen Anflug von Sorge heraushören wollte, so war der Nachgeschmack auf jeden Fall bitter. Richard ärgerte sich nämlich über zwei Anrufe. So hatte sich die ermittelnde Staatsanwältin Meisner erkundigt, ob der Auftritt eines Beamten aus einer sonderbaren Abteilung für aktionsorientierten Lokaltermin am Tatort auf seine Initiative zurückgehe, und sich jegliche Einmischung verbeten. Außerdem hatte Pressesprecher Käfer angerufen und ihn gebeten, seinen Einfluss beim Stuttgarter Anzeiger geltend zu machen, damit wir uns auf den protokollarischen Fünfzeiler beschränkten. Solches Ansinnen stand Richards Berufsethos entgegen. Nur ungern nahm er die Schmälerung seiner juristischen Selbstherrlichkeit hin.
    »Und was habt ihr beschlossen, du und Elsäßer?«, erkundigte ich mich.
    »Er war der Meinung, dass sich die Berichterstattung auf das beschränkt, was die Polizei mitteilt. Frau Rin golfs Artikel entspricht diesen Kriterien vollkommen.«
    »Gratuliere.« Ich stand auf und langte ihm nebenbei an den Sack. Er wich behände aus.
    »Um neun im Tauben Spitz«, sagte ich. »Bis dann.«

3
     
    Der Stuttgarter Tatort dreht seine Polizeiszenen gern im Funkhaus. Aber nicht einmal ein Funkhaus aus den Siebzigern ist abgelatscht genug, um die Wahrheit über die Landespolizeidirektion II zu erzählen. Die graue Kaserne in den Weinhängen am Pragsattel wirkte auch ohne Stacheldraht am Tor wie ein Gefängnis, wenngleich es in der Kantine, die ich zum zweiten Fahrstuhl durchquerte, auch abends noch nach Gurkensalat roch.
    Christoph saß kurzärmelig bei offenem Fenster im kalten Zigarettenrauch im Büro der Soko Marquardt. Die fünf weiteren Arbeitstische wirkten wie fluchtartig verlassen.
    »Aber ihr dürft noch ermitteln?«, fragte ich.
    »Wieso?« Christoph zündete sich eine Zigarette an.
    »Nach meinen Informationen gibt es Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Abteilungen Gewaltverbrechen und Wirtschaftskriminalität in der Staatsanwaltschaft.«
    »Um die Politik kümmert sich Beckstein. Dafür wird sie bezahlt.«
    »Gehört es zur Politik, nicht einmal den Pressesprecher zu informieren? Was Käfer mitgeteilt hat, war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher