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Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Harry Dresden 09: Weiße Nächte

Titel: Harry Dresden 09: Weiße Nächte
Autoren: Jim Butcher
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erklärte ich. „Stell es dir einfach wie Weihwasser vor. Es ist auf dieselbe Weise mit positiver Energie durchdrungen.“
    Murphy betrachtete mit zusammengekniffenen Augen zuerst mich und dann die Wand. „Weihwasser? Ich dachte, bei Magie ginge es immer um Energie, Mathematik, Gleichungen und so Zeug. Wie bei Elektrizität oder Thermodynamik.“
    „Nicht jeder denkt so“, sagte ich. Ich nickte zum Altar hinüber. „Das Opfer war eine Wicca.“
    Murphy runzelte die Stirn. „Eine Hexe?“
    „Sie war auch eine Hexe“, sagte ich. „Nicht jede Wicca hat auch die angeborene Kraft, Magie zu wirken. Bei einem Großteil ihrer Riten und Zeremonien ist kaum etwas von wahrer Macht im Spiel.“
    „Warum machen sie das Zeug dann überhaupt?“
    „Liebe Gemeinde, wir sind heute zusammengekommen, um diesen Mann und diese Frau durch den heiligen Bund der Ehe zu einen.“ Ich zuckte die Achseln. „In jeder Glaubensrichtung gibt es Zeremonien.“
    „Dann ging es hier um eine religiöse Auseinandersetzung?“, schlussfolgerte Murphy.
    Ich antwortete mit einem Achselzucken. „Ernsthafte Wicca haben es schwer, mit anderen Religionen aneinanderzugeraten. Wicca an sich sind wirklich flexibel. Es gibt Glaubensgrundsätze, denen neunundneunzig Prozent der Wicca folgen, aber der Kern dieses Glaubens ist die individuelle Freiheit. Wicca sind der Meinung, man müsse das Recht besitzen, zu tun und zu lassen, was man will und seinen Glauben auszuleben, wie man es für richtig hält, solange man niemand anderem dabei Schaden zufügt. Also unterscheiden sich ihre jeweiligen religiösen Überzeugungen häufig leicht voneinander. Sie sind individueller.“
    Murphy, die mehr oder weniger katholisch war, runzelte die Stirn. „Wie mir scheint, hat auch das Christentum so einiges über Vergebung und Toleranz zu sagen. Oder darüber, andere so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden will.“
    „Mhm“, nuschelte ich, „und dann hatten wir da die Kreuzzüge, die Inquisition …“
    „Genau darauf will ich hinaus“, sagte Murphy. „Egal, wie wir Wicca oder dem Islam gegenüberstehen, Tatsache bleibt, dass wir es immer noch mit einer Gruppe von Menschen zu tun haben. Jede Religion hat ihre Zeremonien, und da sie im Endeffekt aus Menschen bestehen, haben auch alle Religionen ihre Arschlöcher.“
    „Man braucht nur eine Seite, um einen Streit vom Zaun zu brechen“, stimmte ich zu. „Der Ku Klux Klan zitiert gern die Bibel. Das tun auch viele andere reaktionäre religiöse Organisationen. Auch wenn sie sie meist aus dem Kontext reißen.“ Ich wies auf die Wand. „Wie hier.“
    „Also, ich weiß nicht ... ‚Eine Hexe sollst du nicht am Leben lassen. ‘ Für mich ist das verdammt eindeutig.“
    „Aus dem Kontext, aber eindeutig“, entgegnete ich. „Allerdings solltest du bedenken, dass diese Stelle in demselben Buch der Bibel auftaucht, das die Todesstrafe für Kinder, die ihre Eltern verflucht haben, für die Besitzer von Ochsen, die durch Fahrlässigkeit jemanden verletzt haben, für alle, die an einem Sonntag ein Feuer schüren und für jeden, der Sex mit einem Tier hat, gutheißt.“
    Murphy schnaubte.
    „Du darfst auch nicht vergessen, dass der Originaltext vor Jahrtausenden entstand. Auf Hebräisch. Das Wort, das sie im ursprünglichen Vers benutzten, beschreibt jemanden, der zaubert, um jemandem zu schaden. In der damaligen Kultur gab es einen eindeutigen Unterschied zwischen schädlicher und nutzbringender Magie.
    Als wir schließlich im Mittelalter angekommen waren, hatte sich die Grundeinstellung in dieser Religion grundsätzlich dahingehend geändert, dass jeder, der Magie ausübte, von Grund auf böse war. Es gab keinen Unterschied mehr zwischen weißer und schwarzer Magie, und als der Vers ins Englische übertragen wurde, hatte König James gerade einen ganz schönen Hexenfetisch, also wurde in der Übersetzung aus einem ‚Wirker schädlicher Zauber’ die ‚Hexe’.“
    „Wenn man das so sieht, hört es sich ganz danach an, als habe jemand den Vers aus dem Kontext gerissen“, stimmte Murphy zu. „Aber das würde dir verdammt viel Streit mit allen möglichen Leuten einbringen, die darauf bestehen, die Bibel könne nicht irren und müsse wortwörtlich verstanden werden, weil Gott nicht zugelassen hätte, dass sich solche Fehler in die Heilige Schrift einschleichen.“
    „Ich dachte, Gott hätte allen einen freien Willen geschenkt“, sagte ich. „Was letztlich – und erwiesenermaßen – die Freiheit mit
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