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Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Titel: Harry Bosch 15 - Neun Drachen
Autoren: Michael Connelly
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versucht, lieber oben im Valley einen Laden aufzumachen, aber er wollte nicht auf uns hören. Er wollte sich von niemandem vertreiben lassen, und jetzt sehen Sie, was dabei herausgekommen ist.«
    Er deutete hilflos auf die Fassade des Getränkemarkts.
    »Tja, ich war an dem Abend damals auch hier«, berichtete Bosch. »Vor zwölf Jahren. Es brachen Unruhen aus, aber sie verliefen sich rasch wieder im Sand. Genau hier. Es gab einen Toten.«
    »Ein Cop. Ich weiß. Sie haben ihn einfach aus seinem Auto gezerrt.«
    »Ich war mit ihm in diesem Auto, aber mich haben sie nicht erwischt. Und als ich es hierher geschafft hatte, war ich außer Gefahr. Ich brauchte dringend eine Zigarette und ging in den Laden Ihres Vaters. Er stand zwar hinterm Ladentisch, aber die Plünderer hatten nicht eine Packung Zigaretten zurückgelassen.«
    Bosch hielt das Streichholzbriefchen hoch.
    »Es gab jede Menge Streichhölzer, aber keine Zigaretten. Und dann fasste Ihr Vater in seine Tasche und holte seine eigenen heraus. Er hatte noch eine Zigarette übrig, und die hat er mir gegeben.«
    Bosch nickte. Das war die ganze Geschichte. Das war alles.
    »Ich kannte Ihren Vater nicht, Robert. Aber ich werde die Person finden, die ihn umgebracht hat. Das ist ein Versprechen, das ich halten werde.«
    Robert Li nickte und blickte zu Boden.
    »So«, sagte Bosch. »Und jetzt gehen wir zu Ihrer Mutter.«

4
    E s dauerte fast bis Mitternacht, bis die Detectives den Tatort freigaben und in den Bereitschaftsraum zurückkehrten. Bis dahin hatte es sich Bosch anders überlegt und beschlossen, die Angehörigen des Opfers nicht zu einer förmlichen Vernehmung ins PAB bringen zu lassen. Nachdem er sich mit ihnen darauf geeinigt hatten, dass sie am Mittwochmorgen zur Polizei kommen würden, ließ er sie nach Hause fahren, um dort zu trauern. Kurz nach ihrer Rückkehr in den Bereitschaftsraum schickte Bosch auch Ferras nach Hause, um die Wogen in seiner Familie zu glätten. Bosch blieb allein zurück, um das Beweismittelinventar zu erstellen und sich zum ersten Mal über den Fall Gedanken zu machen, ohne ständig gestört zu werden. Er wusste, am Mittwoch wartete einiges an Arbeit auf ihn: Am Vormittag die Gespräche mit den Angehörigen, und dann würden nach und nach die ersten Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchungen und möglicherweise auch der Obduktion eintrudeln.
    Während bei Ferras’ Runde in den umliegenden Wohnungen und Geschäften erwartungsgemäß nichts herausgekommen war, hatte die erste Befragung der Angehörigen des Opfers zu einem möglichen Verdächtigen geführt. Am Samstagnachmittag, drei Tage vor seiner Ermordung, hatte Mr. Li einen jungen Mann zur Rede gestellt, der seiner Meinung nach regelmäßig Dinge aus dem Laden mitgehen ließ. Laut den von Detective Chu übersetzten Aussagen Mrs. Lis hatte der Jugendliche aufgebracht abgestritten, jemals etwas aus dem Laden gestohlen zu haben, und prompt die Rassenkarte gezogen und behauptet, Mr. Li habe ihn nur beschuldigt, weil er schwarz sei. Das entbehrte nicht einer gewissen Absurdität, weil der Laden neunundneunzig Prozent seines Umsatzes mit Anwohnern machte, die schwarz waren. Jedenfalls rief Li nicht die Polizei, sondern erteilte dem Jugendlichen lediglich Hausverbot und verlangte von ihm, sich nie mehr in seinem Laden blicken zu lassen. Mrs. Li erzählte Chu, darauf sei der Junge gegangen, habe ihrem Mann aber noch hingeschleudert, dass er ihm das nächste Mal, wenn er in den Laden käme, die Rübe wegpusten würde. Daraufhin hatte Li seine Pistole unter dem Ladentisch hervorgeholt und auf den Jugendlichen gerichtet, um ihm zu verstehen zu geben, das solle er ruhig mal versuchen.
    Das hieß, der Junge hatte von der Pistole gewusst, die Li unter dem Ladentisch aufbewahrte. Wenn er seine Drohung hätte wahrmachen wollen, hätte er in den Laden kommen und Li ohne lang zu fackeln erschießen müssen, bevor dieser seine Pistole ziehen konnte.
    Bosch hatte vor, am nächsten Morgen mit Mrs. Li die Gang-Bücher durchzusehen, um festzustellen, ob sie den Jungen auf einem der Fotos wiedererkannte. Wenn er zu den Hoover Street Criminals gehörte, standen die Chancen gut, dass ein Bild von ihm in den Büchern war.
    Aber Bosch glaubte nicht, dass es ein brauchbarer Anhaltspunkt war und der Junge als Verdächtiger in Frage kam. Es gab am Tatort Verschiedenes, was nicht zu einem Mord aus Rache passte. Selbstverständlich würden sie dieser Spur nachgehen und mit dem Jungen reden, aber Bosch
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