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Happy birthday, Türke!

Happy birthday, Türke!

Titel: Happy birthday, Türke!
Autoren: Jakob Arjouni
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achtzehn ihren vor drei Jahren verstorbenen Mann, Vasif Ergün, geheiratet, mit ihm drei Kinder gezeugt (Ilter, Yilmaz und die kranke Schwester Ayse) und war nach dem Umzug nach Deutschland putzen gegangen. In letzter Zeit kümmerte sie sich um die kranke Tochter.
    »Darf ich fragen, was Ihre Tochter hat?«
    Als wäre es seine Tochter, antwortete der Bruder: »Sie hat bis vor einem halben Jahr auch als Putzfrau gearbeitet. Dann hat sie die Stelle verloren und wurde schwermütig.«
    Sein gutes Deutsch, der scheinbar sichere Posten, alles wies darauf hin, daß Yilmaz Ergün ein fleißiger und gewissenhafter Mensch sein mußte.
    »Wie alt ist sie?«
    »Vierundzwanzig Jahre.«
    »Mhmhm. Frau Ergün, was vermuten Sie über den Tod Ihres Schwiegersohns?«
    Ich hätte eine ganze Menge erwartet.
    »Ahmed hat Selbstmord gemacht.« Blöde schaute ich sie an.
    »Ja… aber das Messer steckte im Rücken, nicht?«
    fragte ich Ilter Hamul.
    »Egal. Sie werden sehen, er hat Selbstmord gemacht.« Ich merkte, wie meine Klientin anfing zu zittern, und wechselte das Thema. »Na ja, das wird mir auch die Polizei sagen können. Frau Ergün, erzählen Sie mir, was Ihr verstorbener Mann gearbeitet hat und wo.«
    Vasif Ergün hatte, genau wie mein Vater, bis zu seinem Tod anderer Leute Müll geschleppt.
    »Frau Hamul, Sie haben mir heute morgen erzählt, Sie hätten in den letzten Jahren nicht mehr genau gewußt, was Ihr Mann gemacht hat. Was heißt das? Ist er manchmal länger weg gewesen, auch über Nacht? Oder verreist?«
    Zum Glück glaubte der Bruder nicht auch noch, die Frau seines Schwagers zu sein.
    »Nein, das nicht, er kam fast jeden Tag nach Hause«, sagte sie zögernd.
    »Was hat er denn gearbeitet? Oder hat er nicht gearbeitet?«
    »Doch, das schon.«
    Nach längerem Hin und Her und bösen Blicken zwischen Ilter und Yilmaz kam heraus, daß keiner so recht wußte, was Ahmed Hamul in den letzten zweieinhalb Jahren getrieben hatte. Davor war er regelmäßig in eine Fabrik gegangen. Doch irgendwann hatte er gekündigt. Nach seinen Erzählungen war er dann als Packer bei der Post oder in einem Kebab-Laden beschäftigt gewesen. Er habe nicht viel geredet, aber immer genug Geld mit nach Hause gebracht. Von Freunden Ahmeds wußte man nichts. Viel gesprochen wurde offensichtlich in der ganzen Familie nicht.
    Mit der Feststellung, daß Bruder und Mutter meiner Klientin nicht besonders von Ahmed Hamul eingenommen waren, beschloß ich das Gespräch.
    »Gut. Das reicht dann auch. Sagen Sie, ob ich Ihre Schwester wohl demnächst einen Augenblick sprechen könnte?«
    Alle machten den Mund auf, aber nur beim Bruder kam auch was raus.
    »Das wird in nächster Zeit nicht gehen.«
    ›Das hätte ich mir auch denken können‹, dachte ich mir und stand auf.
    »Ich werde mich ein bißchen umsehen und voraussichtlich morgen noch einmal vorbeischauen. Ist jemand in der Wohnung?«
    »Ja, ich bleibe zu Hause wegen Ayse.«
    Ich wandte mich an Ilter Hamul: »Eh ich es vergesse, ein Foto von Ihrem verstorbenen Mann brauche ich noch.«
    »Natürlich.«
    Sie ging zum Schreibtisch, zog eine der Schubladen auf und kam mit einer größeren Portraitaufnahme in Farbe zurück.
    Ahmed Hamul hatte dichtes schwarzes Haar gehabt, einen ebenso kräftigen Schnurrbart und abstehende Ohren, wie hundert andere auch.
    »Vielen Dank.«
    »Die Polizei wird uns Schwierigkeiten machen, wenn sie erfährt, ein Detektiv arbeitet für meine Schwester!«
    Langsam ging mir der Bruder auf die Nerven.
    »Nein, kann sie nicht. Glauben Sie mir das.« Pause.
    »Tja, ich werde mich dann mal verabschieden.« Jeder sagte mir mehr oder weniger freundlich ›auf Wiedersehen‹. Die Kinder, in den letzten zehn Minuten immer unruhiger geworden, erwachten nun ganz und begannen sich zu kitzeln. Der Tod ihres Vaters schien sie nicht zu berühren. Wahrscheinlich hatten sie es noch gar nicht kapiert. Ilter Hamul lotste mich zurück durch den Tunnel. Ich lief die Treppe runter und landete endlich vor der Haustür.
    Eine Weile stand ich da, zündete mir eine Zigarette an und beobachtete das Treiben an der gegenüberliegenden Trinkhalle.
    Besonders aufregend war das alles nicht. Aber was hätte ich schon noch fragen können? Nichts, dachte ich mir und ging hinüber, um ein Bier zu bestellen. Drei haarige Gestalten hingen schief um die Bude und klammerten sich an die Henninger-Flaschen. Säuerlich schlug es mir entgegen. Trübe Augen, eingebettet in aufgedunsene, rosa Fleischwülste, schielten zu mir
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