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Happy birthday, Türke!

Happy birthday, Türke!

Titel: Happy birthday, Türke!
Autoren: Jakob Arjouni
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tröstete ich ihn, nahm Teller und Gabel und verließ das Kreditinstitut.
    Die kleine Türkin saß in meinem Besucherstuhl und knabberte an einer Zigarette. Sie schrak hoch, als ich reinkam.
    »Tut mir leid, hat ein bißchen länger gedauert. Wollen Sie nicht den Mantel ausziehen? Es ist heiß heute.«
    Ich verteilte Kuchen und Kaffee und setzte mich ihr gegenüber hinter den Tisch.
    »Na, dann wollen wir mal. Ich hoffe, Sie mögen Sachertorte?«
    Ihre Ohrringe schlenkerten ein bißchen hin und her, vielleicht sollte es ›ja‹ bedeuten. Wir schlabberten eine Weile still vor uns hin. Dann fing sie endlich an zu erzählen. Ich zündete mir eine Zigarette an, lehnte mich zurück und hörte zu. Sie sprach etwas gebrochenes Deutsch und wiederholte sich manchmal. Es lief auf folgendes hinaus: Ihrem Mann, Ahmed Hamul, hatte man vor ein paar Tagen in der Nähe des Bahnhofs ein Messer in den Rücken gesteckt. Die den Fall bearbeitende Polizei tat - nach Meinung von Ilter Hamul, Ahmeds Frau, die mit mir Torte aß - nicht ihr Möglichstes, um den Mörder ihres Mannes ausfindig zu machen. Sie vermutete, daß ein toter Türke genauere Ermittlungen nicht wert sei.
    Ihr Mann hatte ihr vor seinem Tod mit den Worten ›falls mir etwas passieren sollte‹ einen größeren Batzen Geld gegeben - woher, wußte sie nicht -, den sie nun mir überlassen wollte, damit ich mich aufmache, den Mörder zu finden. Sie hatte im Branchen-Telefonbuch unter Detekteien nachgesehen und mit Freude unter den ganzen Müllers einen türkischen Namen entdeckt. Nun war sie hier. Sie aß Torte und schaute mich fragend an.
    »Aha«, bemerkte ich und überlegte, was sie unter einem größeren Batzen Geld verstehen könnte.
    »Zweihundert Mark am Tag plus Spesen. Aber versprechen kann ich nichts.«
    Sie kramte ihr Portemonnaie aus der Handtasche, zog einen Tausendmarkschein an die Luft und schob ihn zu mir rüber. Hell und schön lag der Haufen Nullen im Sonnenlicht. »Den Rest geben Sie mir wieder, wenn Sie den Mörder gefunden haben.«
    Für meinen Geschmack etwas zuviel Vertrauen in meine Fähigkeiten.
    »Leben Sie alleine?«
    »Nein, ich wohne mit meiner Mutter, meinem Bruder und meiner Schwester zusammen. Außerdem habe ich drei kleine Kinder.«
    »Geben Sie mir Ihre Adresse und versuchen Sie es einzurichten, daß heute nachmittag um drei Uhr alle zu Hause sind.«
    »Ich weiß nicht, mein Bruder arbeitet, und…«
    »Hhm?«
    »Sie wollten nicht, daß ich…«
    »Daß Sie zu mir gehen?«
    »Hhm, ja. Sie haben gesagt, die Polizei würde den Mörder schon finden. Wir sollten abwarten.«
    »Und warum sind Sie trotzdem gekommen?«
    »Ich wußte in den letzten Jahren so wenig von Ahmed. Er war oft weg und erzählte nicht viel. Ich hatte die Kinder und alles. Ich muß einfach wissen, was wirklich passiert ist, verstehen Sie?«
    »Wie lange waren Sie verheiratet?«
    »Zehn Jahre. Ahmed kam neunzehnhunderteinundsiebzig allein nach Deutschland. Seine erste Frau ist in der Türkei bei einem Unfall gestorben. Meine Familie ist schon seit neunzehnhundertfünfundsechzig in Deutschland. Mein Vater lernte Ahmed neunzehnhundertzweiundsiebzig kennen und brachte ihn mit zu uns nach Hause. Ein Jahr später heirateten wir.«
    »Wie alt waren Sie und Ihr Mann damals?«
    »Ich sechsundzwanzig, Ahmed siebenunddreißig.«
    »Wohnt Ihr Vater nicht bei Ihnen zuhause?«
    »Nein. Er starb vor drei Jahren, bei einem Autounfall.« Ich holte ein Stück Papier und schrieb manches von dem auf, was sie mir erzählt hatte.
    »Sagen Sie mir bitte noch, wann Ihr Mann ermordet wurde, und wo man ihn fand.«
    »Die Polizei meint, es ist letzten Freitagabend passiert.«
    »Und wo?«
    »In einem Hinterhof… in der Nähe vom Bahnhof.«
    Sie senkte den Kopf und starrte aufs schwarze Linoleum.
    »Die genaue Adresse wissen Sie nicht?«
    »Nein. Ich weiß sie nicht… es war eines dieser Häuser.«
    Die Ohrringe zitterten.
    Obwohl ihr Mann erst vor kurzem tot in einem Bordell gefunden worden war, hatte sie sich bisher recht gut beherrschen können. Ich bekam Angst, sie würde das gleich nicht mehr so gut schaffen, und stand auf.
    »Gut, das wärs dann erstmal. Geben Sie mir noch Ihre Adresse, ich werde um drei Uhr vorbeikommen.«
    Sie gab sie mir. Wir verabschiedeten uns, und sie huschte hinaus.
    Ich zündete mir eine Zigarette an und spielte eine Weile mit dem Tausendmarkschein, bis ich ihn mit einer Büroklammer unter die Schublade heftete. Die Straße hatte sich belebt. Autohupen und vereinzeltes
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