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Hannes - Falk, R: Hannes

Hannes - Falk, R: Hannes

Titel: Hannes - Falk, R: Hannes
Autoren: Rita Falk
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zur Tür rein, hat mich angeschaut und ist ohne jede Vorwarnung mit erhobenen Fäusten auf mich los. Hat wie wild auf meinen Brustkorb getrommelt und immer geschrien: »Ihr mit euren blöden Motorrädern! Ihr mit euren blöden Motorrädern   …« Das war gar nicht lustig. Irgendwie hab ich ihre Hände auch nicht richtig zu fassen gekriegt. Sie hat geschrien wie verrückt, und du hast wieder nicht reagiert. Zum Glück ist irgendwann der Dr.   Schnauzbart rein und hat sie von mir entfernt. Sie ist noch kurz zu dir ans Bett und hat dich auf die Stirn geküsst. Dann ist sie weg. Ehrlich, Hannes, ich hätt so gern was Nettes zu ihr gesagt, was Freundliches oder was Tröstliches, aber ehrlich, ich hatte keine Chance. Wir sind ziemlich stumm gewesen, als sie weg war. Du ja naturgemäß, und mir war auch nicht mehr zum Erzählen. Drum bin ich dann auch gegangen.
    Verdammt, ich hab dich doch noch im Rückspiegel gesehen, die ganze Zeit. Und plötzlich in dieser ewig langen Kurve, an dieser ewig hohen Mauer entlang, warst du einfach aus meinem Blickfeld verschwunden. Ich bin noch ein Stück gefahren, grinsend zugegebenermaßen, weil ich dachte, du hättest in dieser Kurve das Tempo rausgenommen. Bin dann schließlich umgekehrt und   … verdammt! Verdammt, Hannes!
    War heute auf dem Heimweg noch kurz im Sullivan’s, hab ein Bier getrunken. Der Rick, der Kalle und der Brenninger waren da, und es spielte ’ne Live-Band. Es war voll und laut, wie jeden Samstag, und mir war’s zu voll und zu laut. Also bin ich heim und   – stell dir vor   – an meiner Haustür lehnt die Nele, angestrahlt von einer Straßenlaterne. Sie hat michabgepasst. Und weißt du, Hannes, was dann passiert ist? Ich hab gesagt: »Hau ab!«, und bin einfach an ihr vorbei in meine Bude. Sie stand da, verweint und nass (es hatte geregnet), und ich hab sie einfach stehen lassen! Und weißt du, warum, mein Freund? Weil mir im Laufe des Abends aufgefallen ist, dass keiner von uns ein Recht hat, dem anderen einen Vorwurf zu machen. Weil wir nämlich alle gleich viel leiden. Der Rick, der Kalle, der Brenninger, deine Eltern, die Nele und ich. Und ich weiß nicht, wer noch, wir alle eben. Sie braucht mir also jetzt nicht so zu kommen. Ich hoffe, sie hat’s kapiert. Berichte morgen weiter, muss jetzt ins Eisstadion.
    Montag, 03.04.
    Die Narren haben das Spiel gestern 2:7 verloren, und das, obwohl sie schon 2:0 vorne lagen. Es war erbärmlich, du kannst dir das nicht vorstellen. Da kannst du echt mal froh sein, das verpasst zu haben. Nun ist die Saison rum, und ich glaube, es ist gut so. Hab dir den Spielbericht vorgelesen, aber du hast nicht reagiert.
    Hab jetzt wieder Tagdienst, ist zwar anstrengender, aber die Zeit vergeht schnell. Heute haben wir einen Neuzugang bekommen, einen Jungen, Florian, siebzehn, groß und kräftig und sagt kein Wort. Wir hatten eine kurze Sitzung, wie immer, wenn jemand neu hier ankommt, Schwester Walrika, Frau Dr.   Redlich und wir vom Pflegepersonal halt. Die Redlich ist hier die Psychologin, ein scharfes Teil mit langen roten Haaren, etwas schnippisch und von oben runter, aber absolut lecker, sag ich dir. Bei diesen Sitzungen erfahren wir allesüber den Neuzugang, was uns den Aufenthalt hier verständlich macht. Hier im Vogelnest ist keiner eingewiesen worden, weißt du, alle sind freiwillig hier. Das Heim wird auch nur zu einem kleinen Teil von den Kassen bezahlt, das meiste muss privat berappt werden. Ab und zu gibt’s ’ne Spende von großzügigen Gönnern, denen selbst oder deren Familienangehörigen hier auch schon Hilfe zuteil wurde. (Mein mickriges Gehalt zahlt natürlich der Staat und das von der Walrika die Kirche.) Außerdem gibt’s hier keine Gruppengespräche, einfach weil man niemanden zwingen will, sein Innerstes nach außen zu kehren, nur weil es alle anderen tun. Das find ich gut. Die Insassen können ihr Herz der Frau Dr.   Psycho-Redlich ausschütten oder der Schwester Walrika, oder sie lassen es einfach bleiben. Es wird zwar gemeinsam gebastelt, gemalt oder so, aber es gibt keinen Gruppenzwang. Ich vermute mal, dass das der Grund ist, warum alle so gern hier sind. Und das sind sie zweifellos. Ich selber muss gestehen, mein Freund, und nun lach nicht, dass ich gern hier bin. Dieses alte Gemäuer mit dem ganzen Jugendstil, das hat was. Ich weiß nicht, vielleicht ist es eine Art Würde, die das Haus den Insassen zurückgibt, und das haben sie unbedingt nötig. Das hab ich schon erfahren, als mich mein
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