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Hannah, Mari

Hannah, Mari

Titel: Hannah, Mari
Autoren: Sein Zorn komme uber uns
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Sie war wütend, wenn auch nicht unbedingt auf den Fahrer vor ihnen. Was sie allerdings nicht davon abhielt, ihm im Vorbeifahren einen bösen Blick zuzuwerfen.
    Die Quayside summte förmlich vor Energie. Am Südufer des Flusses glänzte das Sage Music Center wie eine riesige silberne Blase im Mondlicht. Links davon bot die Gateshead Millennium Bridge den besten Blick auf die festlichen Rummel. Am Nordkai waren Unmengen von Menschen unterwegs, wesentlich mehr als sonst um diese Zeit: ein paar Betrunkene, die üblichen Arbeiter der Spätschicht auf dem Heimweg, aber überwiegend einfach nur Leute, die sich amüsierten.
    »Haben die kein Zuhause?«, fragte Gormley.
    »Die kommen vom Guy-Fawkes-Tag, nehme ich an.«
    »Na ja, wär schön, sie würden sich mal irgendwie bewegen. Wir müssen schließlich noch zu unserem eigenen Gunpowder-Plot.«
    Daniels schob sich zentimeterweise vor, frustriert darüber, dass sie nicht vorankamen. Die vielen Rücklichter erinnerten sie aufs Neue an den letzten Weihnachtsabend – auch wenn es damals Schneeflocken und nicht Menschenmassen gewesen waren, die ihre Fahrt behindert hatten.
    Fünf Minuten später warf sie einen Blick zur Seite. Gormley hing wie eine Fledermaus in seinem Sicherheitsgurt, versuchte, ein bisschen Schlaf nachzuholen. Sie konnte sehen, wie sich seine Brust regelmäßig hob und senkte, hörte, wie sein Atemrhythmus sich veränderte, als er tiefer in den Schlaf sank und tiefer in die Bewusstlosigkeit. Er schnarchte laut. Dann spürte er ihre Aufmerksamkeit, schlug die Augen auf und ließ sie wieder zufallen, als er merkte, dass sie immer noch standen und noch eine gute Strecke vor sich hatten.
    Daniels versuchte vergeblich, ihre Gedanken von St. Camillus zu lösen. Doch die Erinnerung daran war so lebendig, dass sie sich mit der Hand über die Wange strich in der Erwartung, Tränen fließen zu fühlen, die ihr heiß und salzig in den Mund krochen. Sie blinzelte, als ein Knallkörper auf der Motorhaube des Wagens explodierte. Er sauste in die Nacht davon, brachte sie erneut zurück in die Kirche, in der sie eine Kerze hatte anzünden wollen.
    »Der Bastard wird dafür bezahlen, dafür sorge ich.«
    »Was hast du gesagt?«
    Sie hatte nicht bemerkt, dass er aufgewacht war. Sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen, die Bilder von Sarah Shorts Beerdigung abzuschütteln. Das arme Mädchen war weniger als drei Wochen, nachdem sie ihren letzten, gequälten Atemzug getan hatte, in St. Camillus beerdigt worden. Die Kirche war gesteckt voll gewesen. Hunderte von Trauergästen waren gekommen, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Die Ungeheuerlichkeit der Tat und die Trauer darüber hatten die ganze Nation erschüttert, als der Fall in den landesweiten Nachrichten kam. Das Schlimmste an der Sache aber war, dass der Täter immer noch irgendwo da draußen herumlief. Daniels fand es unerträglich, mit dieser Tatsache zu leben.
    »Nichts«, sagte sie schließlich. »Hab nur laut gedacht.«
    Sie kamen an einen Block mit Geschäftswohnungen in einem sanierten Lagerhaus aus dem siebzehnten Jahrhundert. Ein junger Officer auf der Straße sah sie kommen. Hektisch hob er Pylonen an und dirigierte sie auf einen frei gehaltenen Parkplatz. Er mühte sich am Haupteingang, eine Gruppe betrunkener Frauen im Zaum zu halten; ein gut gekleidetes Rudel, das außer Lächeln und Gänsehaut nur wenig am Leib trug, in Begleitung einer sehr viel älteren Frau, die sich vergeblich mühte, mit den jüngeren mitzuhalten.
    Daniels stieg aus dem Wagen und sagte dem Officer, er solle zusehen, dass er diese Leute loswerde.
    Er wurde rot. »Ja, Ma’am.«
    Die ältere Frau grinste. »Was glaubt die eigentlich, wer sie ist? Die blöde Juliet Bravo oder was?«
    Eins der Mädchen zog eine Grimasse: »Juliet wer?«
    Daniels und Gormley unterdrückten ein Lachen, während der junge Officer versuchte, die ältere Frau abzuwehren, die ihn bedrängte. Sie ließ nicht locker und schaffte es schließlich, ihm etwas in die Hosentasche zu stecken.
    »Meine Handynummer«, sagte sie. »Ruf mich an, wenn dein Anstandsfräulein weg ist.«
    Das Foyer von Court Mews war ein bisschen protzig für Daniels’ Geschmack. Sie sah sich kurz um und bemerkte nichts Außergewöhnliches. Als die Aufzugtüren aufglitten, trat sie vor, und Gormley wollte ihr folgen. Sie drehte sich um, legte ihm die Hand auf die Brust und zeigte auf die Tür zum Treppenhaus. Gormley machte sich auf.
    Wenig später trat Daniels im vierten Stockwerk aus dem
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