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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal
Autoren: Gisbert Haefs
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und ehemaligen hohen Beamten Karchedons nach Rom gemeldet, Hannibal plane einen neuen Krieg; die Römer forderten seine Auslieferung, und er mußte fliehen. Wie ich. Wie viele andere.
    »Was willst du jetzt noch tun? Außer das Meer betrachten und die Luft einatmen?«
    Er lachte. »Was ich am besten kann – Unruhe stiften. Morgen läuft die gewaltige Kriegsflotte des großen Königs Prusias unter dem neuen Nauarchen Hannibal aus, um die Nußschalen von Pergamon zu versenken.«
    »Das ist doch nicht dein Ernst! Pergamon hat…«
    »Ich weiß. Die beste und größte Flotte nach Rom, Ägypten und Rhodos. Trotzdem. Ich weiß, wie man es machen muß.«
    Ich ging zu ihm und legte ihm die Hände auf die Schultern.
    »Hannibal, komm zu dir! Selbst wenn es zu schaffen ist – auch ohne seine Flotte ist Eumenes den Bithyniern unendlich überlegen! Und er ist mit Rom verbündet.«
    »Ich weiß. Aber bis ein römisches Heer losgeschickt wird und hier eintrifft, ist alles längst vorüber. Es gibt nur einen schwachen Punkt.«
    »Du irrst. Es gibt viele. Pergamon hat Geld und Warfen und ein gutes Heer. Prusias hat nur ein paar tausend Mann. Nicht zu reden von der Flotte…«
    Hannibal zwinkerte. »Vergiß die Flotte. Was das Heer angeht: Eumenes muß, um den Krieg schnell zu entscheiden, an die euxeinische Küste vorstoßen. Nur so kann er Bithynien von armenischer Hilfe oder Nachschub aus Kolchis abschneiden. Auf dem Weg zur Küste muß er bestimmte Wege gehen. Ich kenne alle Wege, und jeder Weg, den er nimmt, führt zu mindestens drei Stellen, an denen ein paar tausend Mann jede Übermacht vernichten können.«
    Ich holte tief Luft. »Da du es sagst… Aber was ist die Schwachstelle?«
    Hannibal spuckte aus. »Prusias. Das gleiche wie bei Antiochos.«
    »Aller Ruhm dem siegenden König, der deswegen die Vorschläge des großen Feldherrn nicht befolgen will?«
    »Du sagst es, Freund.«
    »Aber was soll denn dann alles?«
    Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten; im zunehmenden Zwielicht schien er Teil der einsamen Säule zu sein.
    »Nichts.« Kein Unterton, weder Bitterkeit noch Hohn.
    »Nichts? Ja, aber…«
    Er löste sich von der Säule und kam zu mir, setzte sich auf den gestürzten Sockel. »Dieses römische Meer«, sagte er halblaut.
    Ich verstand ihn, aber dann doch wieder nicht. Er konnte nirgends hingehen, an diesem Meer. Iberien ist römisch; die nordwestliche Küste Libyens fällt immer mehr Masinissas Reich zu; Qart Hadasht hatte ihn ausgestoßen, auch die anderen pumschen und libyphönikischen Städte würden nicht wagen, ihn aufzunehmen; Ägypten schwankte zwischen Selbstbetrachtung und Auseinandersetzungen mit dem Reich der Seleukiden und würde sich hüten, den Verfemten gegen den Willen Roms willkommen zu heißen; das Buch Hannibal und die Seleukiden hatte in Magnesia geendet, wenn nicht schon vorher bei den Thermopylen, als der große Stratege ohnmächtig zusehen mußte, wie die weit überlegenen seleukidischen Heere, unter einem zaudernden König, von den Legionen Roms zerfetzt wurden; die hellenischen Staaten Asiens waren, bis auf Bithynien, römische Bundesgenossen; ebenso Massalia in Gallien.
    »Und die Hellenen sind Sklaven«, sagte ich; es war eher ein lauter Gedanke.
    Hannibal knurrte. »Knechte, nicht Sklaven. Sklaven können nichts für ihr Los, sie werden gezwungen. Athen, Korinth, Sparta, Makedonien, mit ihrem kindischen Gezänk untereinander, machen sich selbst zu Knechten.«
    Ich legte die Hand auf seinen Arm und blickte ihn eindringlich an. »Komm mit mir. Ich bin dabei, meine Geschäfte aufzulösen. Ein Teil des Geldes gehört sowieso dir. Alexandreia ist eine halbwegs freie Stadt; bis der nächste römische Gesandte deine Auslieferung fordert. Wenigstens ein paar Tage wirst du dort bleiben dürfen – bis ich mit dem Auflösen fertig bin.«
    »Und dann?«
    Ich hob die Arme. »Die Weihrauchküste. Auch das indische Meer ist salzig. Oder die alten pumschen Städte jenseits der Säulen des Herakles – Liksh, Qart Hanno, die Glücklichen Inseln. Oder Indien…«
    Er lachte, ein wenig gequält. »Zwei Greise spielen Ausreißen , was? Oh Tiggo, vergiß es. Ich muß Dinge tun, bewegen, in Gang setzen. Glaubst du, nach über sechzig Jahren lerne ich es noch, in einer Ecke zu sitzen, Wein zu trinken und die Welt zu beschauen?«
    »Aber dies hier, dein bithynisches Abenteuer, das ist doch vollkommen sinnlos!«
    »Oh nein, das ist es nicht. Es gibt eine Möglichkeit.«
    »Welche? Wozu?«
    »Wenn
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