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Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Titel: Häschen in der Grube: Roman (German Edition)
Autoren: Maria Sveland
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nur kann!«
    Ihre Augen trafen Emmas Blick. Aus der Nähe schienen ihre Lachfalten noch tiefer und zahlreicher geworden zu sein.
    Plötzlich bemerkte Annika, dass Julia sie vom Küchensofa aus beobachtete. Sie stand schnell auf und ging hinüber zu ihr.
    »Und, wie geht es unserer Julia?«
    Sie strubbelte ihr durchs Haar.
    »Mir geht es gut!«
    Julia schaute verlegen ins Milchglas.
    »Wollt ihr auch Tee?«
    Annika stand auf und goss das kochende Wasser aus dem Topf in die Teekanne aus braunem Ton. Der Lapsangtee verbreitete einen Duft von Teer und Räucherwurst in der kleinen Küche.
    »Nein danke!«, sagte Emma. »Auf jeden Fall nicht diesen Kacke-Tee.«
    Sie schnitt Grimassen in Richtung Julia, die Annika lächelnd ihre Tasse reichte.
    »Ich nehme gerne ein bisschen Kacke-Tee.«
    Emmas Zimmer war tapeziert mit Plakaten von Imperiet und Emma Grön , einem Filmplakat von einem Chaplin-Film und der kitschigen Reproduktion eines Pierrots.
    Der traurige Clown war schön und beängstigend zugleich, Emma konnte ihn immerzu anschauen. Julia legte sich aufs Bett und schloss die Augen.
    »Du, sein Ding hat doch echt krank ausgesehen!«, sagte Emma.
    Julia antwortete mit geschlossenen Augen.
    »Ja, total eklig!«
    Emma legte sich neben sie und studierte den weichen Flaum, der sich wie ein blonder Schnurrbart auf ihrer Oberlippe gebildet hatte.
    »Er muss total durchgeknallt sein …«
    »Unbedingt!«
    »Sollen wir morgen hingehen und schauen, ob er wieder da ist?«
    »Unbedingt!«
    »Julia?«
    Annika rief aus der Küche.
    »Ja?«
    »Willst du mit uns essen?«
    »Nein danke, ich muss nach Hause, Mama dreht sonst durch.«
    »Okay.«
    Annikas Stimme klang gedämpft und fast ein wenig enttäuscht. Julia drehte sich zur Wand, mit dem Rücken zu Emma, ihre Stimme war leise, mehr ein Flüstern.
    »Ich bin so unglaublich müde!« Sie seufzte. »Ich könnte schlafen bis in die Hölle.«
    Emma betrachtete ihren Nacken und die angespannten, hochgezogenen Schultern. Julia redete manchmal so, sagte Dinge, die man nicht richtig verstand, geheimnisvoll und dunkel.
    Emma holte tief Luft, sie konnte Julias Geruch wahrnehmen, eine Mischung aus Seife und erdigen Kartoffelschalen.
    Wenn Julia schlief, sah sie nicht so traurig aus, die unerreichbare Wehmut in ihren Augen glättete sich und verschwand. Julia war die Schwester, von der Emma immer geträumt hatte, wenn ihr das Leben mit Annika ärmlich vorkam. Emma und Annika, Annika und Emma. So war es immer gewesen. Sie war ein Unfall.
    »Aber ein geliebter Unfall, vergiss das bloß nicht, mein Froschkind!«
    Annikas Augen glänzten, wenn sie das sagte und Emma zart über die Wange streichelte.
    Acht Mal in ihrem dreizehnjährigen Leben hatte sie ihren Vater getroffen. Håkan. Ein ziemlich nervöser Mann in den besten Jahren, eine Bekanntschaft. Ein Bankangestellter, den man manchmal an einem Schreibtisch hinter den Kassen der Bank sah. Annika und er hatten sich auf einem Unifest kennengelernt. Sie waren zusammen nach Hause gegangen, mehr war nicht. Nur dass Emma entstand, und das war dann doch bedeutend mehr. Zumindest für Annika, deren Leben eine neue Wendung nahm, für Håkan lief es ungefähr so weiter wie zuvor. Er beendete seine Ausbildung und bekam eine Arbeit bei der Bank, während Annika ihr Literaturstudium aufgab und Emma zur Welt brachte. Annika wollte keinen weiteren Kontakt zu Håkan haben, er zog sich dankbar zurück, erleichtert, keine Verantwortung für ein Kind übernehmen zu müssen. Emma hatte ihn nur getroffen, weil sie so sehr darum gebettelt hatte, als sie kleiner gewesen war. Sie hatte schreiend behauptet, es sei ihr Recht. Schließlich gab Annika nach und nahm Kontakt zu Håkan auf, der widerwillig zustimmte, sie in einem Café zu treffen. Es war eine eigenartige Begegnung, schweigsam und steif. Annika war ausnahmsweise einmal spürbar nervös, sie rauchte eine Zigarette nach der anderen, ohne etwas zu sagen. Håkan wollte die beiden unbedingt einladen, und Emma suchte sich eine Cremeschnitte und Blätterteigteilchen aus. Im Nachhinein erinnerte sie sich nur noch an den wunderbaren Geschmack der Cremeschnitte. Das Zusammentreffen mit Håkan war eigentlich ein Nicht-Treffen. Halt irgendein Mann, der ihr gegenübersaß, schüchtern mit der Serviette raschelte und kaum ihren fragenden Blick erwidern konnte. Er stellte keine einzige Frage, und schließlich begann Emma ungefragt zu erzählen, wie es ihr in der Schule ging. Dass Zeichnen ihr liebstes und bestes Fach war. Und
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