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Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)

Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)

Titel: Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)
Autoren: Eva Völler
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heiß gegessen, wie es gekocht wird«, sagte ich lahm. Das war der Standardspruch, den meine Mutter früher immer auf der Pfanne gehabt hatte, wenn es mir schlecht ging. Sie hatte diesen Satz auch von ihrer Mutter geerbt und die wiederum von ihrer, sozusagen ein generationenübergreifendes Lebenskonzept, das heute genauso viel taugte wie damals – nämlich nichts.
    Die restliche Fahrt zu unserer gemeinsamen Wohnung legten wir schweigend zurück. Pauline und ich hingen unseren Gedanken nach. Annabel tat vermutlich dasselbe, wenn auch sicherlich nur eingeschränkt. Die meiste Zeit war sie damit beschäftigt, haltlos zu schluchzen. Als wir ankamen, war meine Bluse pitschnass und mein rechtes Ohr fast taub.
    Pauline und ich zerrten Annabel mit vereinten Kräften nach oben in ihr Zimmer, wo sie weinend auf ihre Matratze fiel.
    Es brach uns fast das Herz. Pauline stand rechts, ich links vom Kopfende. Annabel schluchzte zum Gotterbarmen. Paulines Mund war zu einem grimmigen Strich zusammengepresst, und ich selbst hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten.
    »Alles wird gut«, sagte ich hilflos zu Annabel. Sie nahm es überhaupt nicht zur Kenntnis.
    Pauline holte die Schachtel mit dem Valium aus dem Bad. Annabel hatte Mühe, die Tablette zu schlucken, weil ihre Nase vom Heulen so zugeschwollen war, dass sie kaum noch Luft bekam, doch schließlich brachte sie das Ding doch runter und legte sich anschließend mit geschlossenen Augen zurück auf ihr Kopfkissen, bleich und niedergeschmettert, das Gesicht nass vor Tränen.
    Wir zogen ihr die Schuhe aus und warteten, bis sie eingeschlafen war, rechts und links neben ihr sitzend, jede von uns eine ihrer Hände haltend.
    Als sie endlich ruhig atmete, schlichen wir nach unten ins Wohnzimmer. Ich warf mich in einen Sessel, zog mir die Schuhe aus und massierte mir die schmerzenden Füße. Es war fast elf Uhr und ich war an diesem denkwürdigen Tag sechzehn Stunden auf den Beinen gewesen.
    Pauline tigerte im Zimmer auf und ab. »Ich könnte diese Zicke umbringen. Oder ihn. Oder alle beide.«
    Dazu fiel mir nicht viel ein. Mir waren schon dieselben Gedanken durch den Kopf gegangen. Dazu kam die Gewissheit, wie schrecklich das alles für Annabel sein musste. Sie war – neben Pauline – meine beste Freundin. Wir hatten schon zu dritt im Sandkasten gespielt und später die Freuden und Leiden unserer Jugend geteilt. Wir waren zusammen aufgewachsen und erwachsen geworden, all das nur ein paar Straßen voneinander entfernt. Während unserer Ausbildung hatten wir uns für ein paar Jahre voneinander entfernt, aber nur räumlich. Pauline war nach Heidelberg gegangen und hatte eine Ausbildung bei der Kripo absolviert, während ich mich für Berlin entschieden hatte, wo ich drei Jahre lang gelebt hatte, bis ich nach zwei Semestern Design, zwei Semestern Innenarchitektur und zwei Semestern BWL die Nase voll hatte vom Studieren und wieder in heimatliche Gefilde gezogen war, wo auch inzwischen Annabel ihre Zelte aufgeschlagen hatte. Sie hatte dort eine Ausbildung als Altenpflegerin gemacht und war, ebenso wie ich, mittlerweile ihre eigene Chefin, nachdem sie im Zentrum einen kleinen privaten Pflegedienst eröffnet hatte. Genau in demselben Haus, in dem sich auch Klaus’ Metzgerei befand – und die funkelnagelneue Maisonettewohnung im Obergeschoss. Ein Teil von Annabels Möbeln war schon dort. Sie und Klaus hatten direkt nach den Flitterwochen endgültig dort einziehen wollen. Sie hatten ihre Zukunft so wunderbar geplant. Und jetzt war alles innerhalb weniger Augenblicke in die Binsen gegangen.
    »Was passiert jetzt eigentlich?« Pauline blieb einen Moment stehen und starrte mich an. »Ich meine, mit dem Umzug. Wie soll das laufen?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Frag mich was Leichteres.«
    Pauline verengte die Augen. »Sie wird sich natürlich scheiden lassen.«
    Ich ließ den Kopf sinken. Wahrscheinlich würde es tatsächlich darauf hinauslaufen. Welche Frau würde mit der Schmach leben wollen, einen Mann zu behalten, der sich auf der Hochzeitsfeier von der Lieblingsfeindin seiner frisch angetrauten Frau einen blasen ließ? Ganz abgesehen davon, dass es nicht zum ersten Mal passiert war.
    Mühsam kämpfte ich mich aus dem Sessel hoch. »Ich muss los.«
    »Warum? Was hast du so spät noch vor?«
    »Ich muss noch mal zurück, alles fertig abwickeln. Schließlich bin ich für die ganze Organisation verantwortlich.«
    Pauline nickte nachdenklich. »Klar. Die vielen Geschenke. Wenn die
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