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Hände, die der Satan schuf

Hände, die der Satan schuf

Titel: Hände, die der Satan schuf
Autoren: Jason Dark
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Gleichmäßigkeit, als säße in seinem Nacken ein Uhrwerk, das den Schädel antrieb. »Ich begreife es nicht, verdammt. Die kann doch keiner gestohlen haben. Was meinen Sie dazu, Mallmann?«
    »Eigentlich nichts.«
    Degenhardt schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Verdammt, geben Sie mir doch eine anständige Antwort.«
    Will drehte sich um. Er war am anderen Ende des langen Konferenztisches stehengeblieben. Über die Platte hinweg schaute er den Hauptabteilungsleiter an. »Was wollen Sie denn hören? Daß ich den Toten weggezaubert habe? Daß ein Geist gekommen ist und ihn mitgenommen hat? Sagen Sie was. Ich kann Ihnen keine Antwort geben.«
    »Wollen Sie nicht.«
    Will hob die Schultern. Es war müßig, sich mit Degenhardt auf eine Auseinandersetzung einzulassen. Der ging auf keine Bemerkung ein, er dachte rationell, war ein richtiger Beamter, geilte sich an Statistiken auf und glaubte an die Obrigkeit.
    Phantasie, Fingerspitzengefühl fehlten ihm. Das Bemerken von Trends und Strömungen, nein, das bekam er nicht mit. Dafür war er nicht der richtige Mann. War vielleicht auch besser für seinen Job. Wer konnte das wissen?
    »Was denken Sie jetzt, Mallmann?«
    »Das sage ich lieber nicht.«
    »Hüten Sie sich.«
    Will grinste. Er strich über sein schütteres dunkles Haar, ging zwei Schritte zur Seite. Jetzt stand er dicht an der Wand, wo er über die Lehnen der Stühle schauen konnte, und zwar genau an der Seite des Tisches, an der auch er gesessen hatte.
    Die Stühle standen nicht mehr in einer Reihe. Man sah, daß die Männer heftig aufgesprungen waren, um den Raum zu verlassen. Es war leicht, über die Sitzflächen zu schauen.
    Auf einer lag etwas.
    Ein kleiner Gegenstand. Will konnte ihn auf diese Entfernung hin nicht erkennen. Aber er war sicher, daß der Gegenstand dort noch nicht gelegen hatte, als sie den Raum verließen.
    Deshalb ging er näher. Dabei rückte er ein paar Stühle vor, die ihn behinderten.
    »Wo wollen Sie hin?« fragte Degenhardt. Er machte einen langen Hals und konnte trotzdem nichts sehen. Zudem blendete ihn die blanke Holzplatte des Tisches.
    Der Mann im Kittel war verschwunden. Er rauchte im Gang weiter. Mallmann hatte den Stuhl erreicht, auf dem der Gegenstand lag. Es war das Sitzmöbel, auf dem sein Kollege Harald West gesessen hatte. Und jetzt lag er dort!
    Will Mallmann spürte seinen Magen als Stein. Ihm begannen die Augen zu brennen, das Zittern der Hände war nicht zu vermeiden, als er das hochnahm, was auf der Sitzfläche lag.
    Eine Holzpuppe!
    »Hier ist er«, sagte der Kommissar rauh. Er hatte den Arm gedreht. Degenhardt konnte genau auf die Puppe schauen, die in Mallmanns Handfläche lag.
    »Wer?«
    »Harald West.«
    Degenhardt beugte sich vor. Will hatte selten einen Menschen so bleich werden sehen. Die Haut nahm dann einen gelblichen Schimmer an und ähnelte kaltem Rinderfett.
    »Er ist zur Puppe geworden!« flüsterte der Kommissar. »Verdammt, er wurde zur Puppe…«
    Degenhardt fiel zurück. Er krachte schwer auf den Stuhl und hielt sich an der Tischkante fest.
    Wills Augen weiteten sich. Erst jetzt kam der Schock. Hart und peitschend. Will hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu atmen, sondern eine dünne Flüssigkeit.
    Er nahm die gesamte Hand, preßte sie um die Figur und erlebte den zweiten Schock.
    Harald West zerbröselte zwischen seinen Fingern. Was einmal ein Mensch gewesen war, rieselte als Staubfahne auf den Tisch, und Will glaubte noch, einen fernen, leisen Schrei zu hören…
    ***
    Ricardo Bachara starrte in die Glut des Ofens. Der Juli war kalt. Nicht nur im Bayerischen Wald, auch im übrigen Deutschland. An der Nordsee hatten die Wassertemperaturen die 15-Grad-Grenze nicht überschritten. Die Urlaubsgäste froren dort schneller, als sie denken konnten. Auch über die Höhen des Bayerischen Walds fegte ein scharfer Wind. Dabei lag es nicht lange zurück, daß der letzte Schnee geschmolzen war. So konnte es kommen.
    Feuer im Juli, und er starrte in die Flammen, weil er einfach nicht anders konnte. Er brauchte jetzt Ruhe. Der Satan hatte ihm eine neue Aufgabe gestellt. Bevor er sie in Angriff nahm, mußte er sich konzentrieren. So war das immer bei Bachara.
    Der Mittelscheitel hatte sich gelöst. Das Haar fiel fettig nach links und rechts. Es sah aus wie ein aufgeklapptes Buch mit schwarzen Seiten. Er schleuderte es zurück und griff zur Flasche. Von innen wollte er sich auch wärmen.
    Selbstgebrannter, ein Schnaps, der Pferde in die Ställe trieb und
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