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Habgier: Roman (German Edition)

Habgier: Roman (German Edition)

Titel: Habgier: Roman (German Edition)
Autoren: Faye Kellerman
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sollte ich mit dem Mann reden wollen, der noch nicht einmal den Anstand hatte, mich zurückzurufen?« Sie schluchzte laut auf. »Wann brauchen Sie die Röntgenbilder?«
    »Wie wäre es, wenn ich Sie abhole und Sie zum Zahnarzt Ihrer Tochter begleite?«
    Die Frau antwortete nicht. Alles, was Decker hören konnte, war ihr Weinen. Dann fasste sie sich und sagte: »Also gut, wissen Sie, wo ich wohne?«
    »Nein, aber ich notiere mir jetzt Ihre Adresse.«
    »Ich lebe nicht in der Nähe meiner Tochter. Sie wollte Freiraum. Ich wohne ganz woanders, quer durch die Stadt.«
    »Kein Problem, geben Sie mir nur Ihre Adresse.«
    Sie nannte ihm Straße und Hausnummer. »Wann können Sie da sein?«
    »Wie wäre es mit morgen Vormittag gegen elf Uhr?«
    »Gut, und wie sehen Sie aus?«
    »Ich bin sehr groß und habe rotes Haar.« Das gerade ziemlich schnell ins Grau wechselt. »Ich zeige Ihnen an der Tür meinen Ausweis. Bis morgen also.«
    »Vielen Dank, Lieutenant. Ich weiß, dass Sie versuchen, so nett wie möglich zu sein. Es ist nur...«
    Mrs. Greenberg weinte wieder. Decker könnte jetzt sagen: »Ich weiß, wie es ist«, oder: »Ich verstehe, wie Sie sich fühlen«. Aber er wusste nicht, wie es war, und er verstand auch nicht, wie sie sich fühlte.
    Gott sei Dank.

3
     
    Das West San Fernando Valley machte eine harte Zeit durch. Selbst die Nachricht, dass der Absturz auf technisches Versagen zurückzuführen sei, konnte den Ansturm auf die Notrufzentrale nicht abschwächen: Herzinfarkte sowie Asthma- und Ohnmachtsanfälle waren an der Tagesordnung.
    In der Woche nach dem Unfall führte Decker das Leben eines Casino-Angestellten – er sah kein Tageslicht, und er wusste nie, wie spät es war. Er schaffte es weder zu dem Abendessen am Freitag bei Rinas Eltern, noch zum Mittagessen am Sabbat. Es gab einfach zu viel zu tun. Irgendwie quetschte er ein Telefonat mit seiner verheirateten Tochter dazwischen. Cindy arbeitete als Detective – Spezialgebiet Autodiebstahl im großen Stil – in Hollywood, und sie hatte Doppelschichten hinter sich, weil die meisten ihrer Kollegen an die Absturzstelle abgezogen worden waren.
    Doch alles geht einmal vorbei, und letztendlich war auch dieser schreckliche Unfall, der zwei Wochen lang die Schlagzeilen der Zeitungen dominiert hatte, Schnee von gestern. Die Berichte rutschten von der Titelseite auf Seite drei, dann auf Seite fünf, bis sie nur noch hinten im Lokalteil auftauchten und schließlich ganz verschwanden. Die Gerichtsmediziner arbeiteten Tag und Nacht an der Erkennung der Opfer, während die Flugaufsichtsbehörde die einzelnen Wrackteile zusammensammelte. Die Polizei konnte endlich wieder ihre eigentliche Arbeit tun.
    Es würde noch Monate, vielleicht sogar Jahre dauern, bis irgendjemand verbindliche Antworten auf die Fragen zum Crash und zu den Opfern geben könnte. Untersuchungen von Katastrophen wie dieser erforderten Zeit und Geduld. Rina hatte Decker erzählt, dass die Leute, die den Crash in unmittelbarer Nähe überlebt hatten, ihre Tage auf einmal langsamer angingen und sich Zeit nahmen für ein Lächeln oder ein Hallo. Auf den Straßen war es leerer, und die Autofahrer gingen höflicher miteinander um. Und trotz der anfänglichen Plünderungen und Einbrüche direkt nach dem Absturz wurden für den gesamten Monat weniger Straftaten gemeldet.
    Ganz offensichtlich handelte es sich um eine Anomalie, denn für den Folgemonat errechneten die Statistiker, dass Haushalts- und Verbrechensdaten wieder auf Normalniveau angekommen waren.
    Sechsundvierzig Tage nach dem Crash, als Decker gerade die anstehenden Gerichtstermine seiner Detectives durchsah, rief Marissa Kornblatt, eine der drei Sekretärinnen seiner Dienststelle, ihn an. Heute arbeitete sie am Empfang, und ihre Stimme klang am Telefon zögerlich.
    »Entschuldigen Sie die Störung, Lieutenant, aber ich habe hier einen Anrufer in der Leitung, der unbedingt mit dem Boss der Bosse sprechen will.«
    »Boss der Bosse?«
    »Seine Worte, Lieutenant, nicht meine. Er heißt Farley Lodestone, und wenn ich alles richtig verstanden habe, ist er wegen seiner verschwundenen Tochter auf hundertachtzig.«
    »Wie alt ist seine Tochter?«
    »Achtundzwanzig, Sir.«
    »Achtundzwanzig?«
    »Ich habe ihm bereits gesagt, dass wir immer sechsunddreißig Stunden warten, bevor wir ein Protokoll aufnehmen, aber er sagt, er wartet bereits seit über vier Wochen und hat langsam die Nase voll.«
    Der Mann hatte wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank. »Dann
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