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h3rzklopfen - Kurzgeschichten

h3rzklopfen - Kurzgeschichten

Titel: h3rzklopfen - Kurzgeschichten
Autoren: Keo Weller
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bestimmt, aber freundlich um eine Tiefkühlpizza bat. Er aß recht häufig Tiefkühlpizza. Die billige Sorte. In Nächten wie dieser gönnte er sich jedoch gerne mal eine teure Pizza. Die ohne künstliche Aromen und geschmacksverstärkende Zusatzstoffe. Während die Pizza im Ofen buk, las er auf der Rückseite der Packung, dass der Hersteller sich dem Sorgfaltsprinzip verpflichtete. Die Zutaten wurden mit höchster Sorgfalt ausgesucht und behandelt, sogar die Lieferanten wurden mit höchster Sorgfalt ausgewählt und kontrolliert. Nachhaltigkeit, höchste Sorgfalt, Transparenz, Werte und Wahrheit. Eine Pizza mit Prinzipien! Hermann hingegen handelt nach keinem ihm offensichtlichen Prinzip, Werte hat er keine.

Der Geruch von Käse, Thunfisch und Zwiebeln brachte wieder etwas Normalität in seine Wohnung. Nackt saß er an seinem kleinen, quadratischen Tisch, die Pizza in acht Teile geschnitten. Er aß mit der Hand. Vor ihm stand ein alter Schuhkarton mit alten Erinnerungen. Pizza und Erinnerungen. Er holte Bilder raus und blätterte sie durch. Zum Beispiel er auf einem Motorrad. Jung, mit kurzen braunen Haaren, Sonnenbrille und guter Laune. Es war natürlich nicht seine Maschine. Er hatte nie eine besessen und einen Führerschein hat er natürlich auch nicht. Dann ein paar Briefe und Zettel. Und ein paar Kleinigkeiten, die ihm sein Vater als Erbe hinterlassen hat. Als Einzelkind bekam er damals alles vermacht. Alles kann manchmal auch sehr wenig sein. Ein paar Groschenromane, Bücher, alte Möbel, alte Lampen, alte Spiegel, halbleere Spirituosen. Hermann konnte nur mit dem Geld was anfangen. Der Rest passte zusammen mit seinen eigenen Andenken eben in diesen Schuhkarton der Marke Salamander. “Salamander sorgt für gesunde Kinderfüße”, stand auf dem orangenen Deckel. Im Karton befand sich zum Beispiel ein Siegelstempel. Oder ein Orden: in der Mitte ein Helm mit Hakenkreuz, dahinter zwei gekreuzte Schwerter. Und dann ein Revolver. Schwarz mit braunem Holzgriff. In den Lauf war eine sechsstellige Nummer eingraviert. Direkt über dem Griff ein Hakenkreuz mit Reichsadler, darüber stand “Mauser-Werke A.G. Oberndorf”.

Diese Waffe hat ihn seit jeher fasziniert. Was war ihre Geschichte? Funktionierte sie wohl noch? Oft hatte er sie in den letzten Jahren in seinen Händen gehalten, auf Dinge gezielt, den Abzug leicht durchgedrückt. Aber eben nur angedeutet, nie so weit, dass etwas hätte passieren können. Wie immer in seinem Leben. Hermann weiß nicht einmal, ob und wenn ja, wie man die Waffe entsichert. Ist sie schon entsichert, ist sie geladen? Und überhaupt: Würden die Patronen nach all den Jahren noch funktionieren?

Acht Stück Pizza verschwanden in ihm. Die Pistole lag neben dem Teller, so wie Messer und Gabel neben einem Teller liegen. Er blickte aus dem Fenster, in die Nacht. Zu sehen gab es nichts. Dann hielt er die Waffe eine kurze Zeit in seiner linken Hand.

An dieser Stelle ändert sich Hermanns Leben: Er kniet sich auf den Boden seines Wohnzimmers, hält sich die Waffe an den Kopf. Er wird abdrücken – das weiß er. Man sieht ihm die Entschlossenheit an. Vielleicht das erste Mal, dass er zu etwas entschlossen ist. Ausgang ungewiss. Er schließt die Augen, atmet ein und drückt ab. In einem Paralleluniversum macht es nur leise ‘Klick’ und nichts passiert. Dort wird Hermann das sanfte Klicken als ein Zeichen, einen Weckruf einer höheren Instanz begreifen, er wird sein Leben radikal ändern, seinem Leben Sinn geben. Welchen, werden wir nie erfahren. In unserem Universum jedoch liegt Hermann tot in seinem kleinen Wohnzimmer.

“Bis zum nächsten Mal, mein Freund!”

    Hart auf Hart

Stell dir vor, es kommt hart auf hart und du – weiblich, jung, ledig – bist dabei! Stell dir vor, du wirst etwas lieben, was du verabscheust. Wir kennen uns seit ein paar Stunden. Wir haben wild getanzt; zu lauter Musik, uns aneinander gerieben, du hast an meinem Oberarm geleckt, ich an deinem Hals. Wir sind zu mir gegangen. Du denkst, du weißt, auf was du dich einlässt. Falsch.

Jetzt schaust du dich in meiner Wohnung um. Erstaunlich perfekt. Mit Stil. Schlicht. Modern. Single-Wohnung zum Wohlfühlen. Du stehst in meinem Wohnzimmer, ich direkt hinter dir, lege meine Arme um dich und küsse deinen Hals. Vor einer großen Couch steht ein kleiner Tisch. Vier Füße, etwa fünfzig Zentimeter hoch, einen Meter lang. Massiv. Holz. Es ist still in meiner Wohnung, aber in deinem Kopf hörst du die Musik aus dem
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