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h3rzklopfen - Kurzgeschichten

h3rzklopfen - Kurzgeschichten

Titel: h3rzklopfen - Kurzgeschichten
Autoren: Keo Weller
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Fließen am Boden und an den Wänden. Toiletten, Waschbecken, alles aus einem Stück Aluminium gefertigt. Es riecht nach Kaufhaus, sie spielen Kaufhausmusik. Die Toiletten im Park hingegen sind ganz anders.

Hermann lief direkt zu dem Toilettengebäude im Park. Früher setzte er sich vor dem Akt noch einige Zeit auf eine Parkbank und beobachtete Menschen. Ihre Fröhlichkeit schlug ihm schnell auf dem Magen, vor allem in Verbindung mit lauten Kindern. Manchmal aber erwischte er einen Moment der Ruhe, dann entspannte sich sein Körper, sein Geist und seine Depressionen traten kurzzeitig auf die Seite. In dieser Verfassung konnte er sich nicht übergeben, musste unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen und versuchte es daher am nächsten Tag auf ein Neues.

Die Toiletten im Park wurden für mich wie ein guter Freund. So wie andere sich an der Schulter ihres Partners ausheulen und es ihnen danach besser geht, so kotze ich mich hier aus. Danach geht es mir meist schlagartig besser. “Bis zum nächsten Mal, mein Freund!”, ruft mir das Gebäude dann hinterher. Meist schlendere ich eine kurze Zeit durch die Parkanlage, bevor ich die Toiletten aufsuche. Dann denke ich nach. Heute zum Beispiel über meine Mutter. Gesine Mann. Dann ärgerte ich mich, wie so oft, über meinen Namen. Im Internet fand man zu meinem Namen lediglich ein Ergebnis. Und zwar in der “Kamelopedia”, einer Spaß-Wikipedia. Es heißt dort: “Hermann Mann (1783 - 1822). Berühmter Kameltreiber. Seine Freunde nannten ihn Hermann, Fremde nannten ihn Herr Mann, offiziell adressierte man ihn Herr Hermann Mann.” Ich habe keine Freunde.

Ich schließe die Türe hinter mir zu, klappe den Klodeckel auf, knie mich vor die Schüssel. Der Boden ist feucht und dreckig und ich spüre wie meine Hose langsam die Feuchtigkeit aufsaugt. Ich lege meine Hände auf den Rand und stecke mein Gesicht in die Schüssel. Es stinkt nach Urin. Ich habe mich daran gewöhnt. Ich schaue in den Abfluss, blicke auf das gelb-orangene Wasser. Unterhalb des Wassers ist das Rohr dick mit brauner Patina überzogen. An einer kleinen Stelle gibt es keinen Dreck. Etwa einen Zentimeter breit und sieben Zentimeter lang – von oben nach unten. Ich stecke meinen Zeigefinger in das Wasser und schabe mit der Fingerkuppe den Dreck vom Rohr. Einen Zentimeter breit und sieben Zentimeter lang – von oben nach unten. Direkt neben den alten Strich. Ich war vor ein paar Wochen schon einmal hier. Ich halte mir den abgeschabten Dreck direkt unter die Nase. Ich würge und kotze sofort, erst über meine Hand, dann in die Schüssel.

Es war ihm wichtig, seinen Mageninhalt zu spüren. Daher hielt er sich seine Hand vor den Mund. Die Wärme hatte etwas Beruhigendes und gab ihm das Gefühl, dass jetzt bald alles ausgestanden sei. Vorerst. Er blickte noch ein paar Sekunden in die Kloschüssel und beobachtete seine Kotze. Zwei Stunden zuvor hatte er noch Hühner-Nudeltopf aus der Dose gegessen. Jetzt sah er zu, wie die Muschelnudeln langsam untergingen und sich am Grund der Schüssel sammelten. Er liebte Muschelnudeln. Manchmal saugten sie sich am Löffel fest oder auch am Teller. Dann konnte man sie hin und herschieben und es war gar nicht so einfach, sie wieder zu lösen. Die letzte Nudel drückte er immer an seinem Gaumen fest und dort konnte sie angesaugt Stunden in seinem Mund verbringen. Saugnapfnudeln.

Ich stehe auf, wasche mir die Händen, das Gesicht. Seife gibt es hier nicht. Handtücher erst recht nicht. Ich schäme mich und verlasse schnell, mit nassem Gesicht, das Toilettenhaus. Es ist hell draußen, ich muss meine Augen zusammenkneifen, ich atme frische Luft. Jetzt wird alles besser.

“Bis zum nächsten Mal, mein Freund!”

Zu Hause legte sich Herr Hermann Mann in sein Bett und schlief. Ein solcher Tag war anstrengend. Sehr. Als er aufwachte, war es spät in der Nacht. Er setzte sich auf die Bettkante und legte einen Kopf in seine rechte Hand, den Ellbogen auf dem rechten Knie aufgestützt. Er stank. Sein ganzes Zimmer stank. Nach Urin und Stillstand. Nach verlebtem Leben, nach Ende. Wie auch immer etwas nach Ende riechen kann. Es roch nach Ende. Zumindest nach Scheitern.

Später stand Hermann in seiner kleinen Badewanne und duschte. Es gab keinen Duschvorhang. Dreckige Fließen, dunkle Fugen. Kein schöner Anblick. Er duschte ausgiebig, wusch sich und setzte sich dann auf den Boden der Wanne, lies das heiße Wasser auf sich regnen. Minutenlang. Bis sein Magen knurrte und ihn
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