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Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

Titel: Gullivers Reisen
Autoren: Jonathan Swift
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erweckten bei mir ein heftiges Zittern. Ich bat sie auf's Neue, mich abreisen zu lassen, und näherte mich langsam meinem Cano. Die Matrosen packten mich jedoch an der Brust und fragten mich, von welchem Lande und woher ich gekommen sey; außerdem wurden mir noch manche andere Fragen vorgelegt. Ich erwiderte: In England sey ich geboren und habe mein Vaterland vor ungefähr fünf Jahren verlassen; damals habe Frieden zwischen England und Portugal stattgefunden; ich hoffe deßhalb, daß man mich nicht als Feind behandeln werde, ich beabsichtige durchaus nicht, ihnen irgend einen Schaden zuzufügen, ich sey nur ein armer Yähu, welcher irgend einen einsamen Ort sich aufsuche, um seine übrigen unglücklichen Lebenstage dort zuzubringen.

    Als jene Seeleute miteinander sprachen, glaubte ich nie etwas Unnatürlicheres gehört zu haben; es kam mir vor, als wollte ein Hund oder eine Kuh in England und ein Yähu in Hauyhnhnmland sprechen. Die ehrlichen Portugiesen erstaunten gleicher Weise über meine sonderbare Kleidung und die Aussprache meiner Worte, die sie jedoch sehr gut verstanden. Sie erwiesen mir in ihren Reden sehr viel Menschlichkeit und sagten: der Kapitän werde mich gewiß umsonst nach Lissabon bringen, von wo ich in mein Vaterland zurückkehren könne. Zwei Matrosen würden zum Schiffe zurückkehren, den Kapitain von dem, was sie gesehen hatten, benachrichtigen und sich seine Befehle holen. Mittlerweile würden sie mich mit Gewalt in Sicherheit bringen, wenn ich nicht einen feierlichen Eid, nie zu fliehen, leistete. Sie waren sehr neugierig, meine Geschichte zu erfahren; ich gab ihnen aber nur wenig Befriedigung und sie glaubten, mein Unglück habe mir das Gehirn verwirrt. Nach zwei Stunden kehrte das Boot mit Wassergefäßen beladen und mit dem Befehl des Kapitän's, mich an Bord zu bringen, wieder zurück. Ich flehete auf den Knien mir die Freiheit zu lassen, allein Alles war vergeblich. Die Männer banden mich mit Stricken und hoben mich in das Boot, von wo ich in das Schiff und dann in die Kajüte des Kapitän's gebracht wurde.
    Er hieß Pedro de Mendez und war ein artiger und großmüthiger Mann. Er bat mich, ihm einen Bericht über mich zu geben, und wünschte zu wissen, was ich essen und trinken wolle; ich solle eben so gut bewirthet werden, wie er selbst lebe. Zugleich sagte er mir so viele verbindliche Sachen, daß ich mich wunderte, so viel Höflichkeit bei einem Yähu zu finden. Ich blieb jedoch still und mürrisch; der Geruch von ihm und seinen Leuten brachte mich einer Ohnmacht nahe. Zuletzt bat ich, man möge mir etwas aus meinem Cano zu essen bringen; der Kapitän aber ließ für mich ein Huhn und eine Flasche ausgezeichneten Wein kommen und befahl alsdann, mich in einer sehr reinlichen Kajüte zu Bett zu bringen. Ich wollte mich nicht auskleiden, sondern legte mich, wie ich war, auf das Bett; nach einer halben Stunde, als ich glaubte, die Mannschaft halte ihr Mittagsmahl stahl ich mich aus meiner Kajüte, ging auf die Schiffsseite, um in's Meer zu springen und lieber schwimmend mich zu retten, als bei den Yähu's in Zukunft noch zu leben. Ein Matrose verhinderte mich jedoch an der Ausführung meines Vorsatzes und stattete dem Kapitän hierüber Bericht ab; darauf wurde ich gefesselt in meine Kajüte gebracht.
    Nach dem Mittagessen kam Don Pedro zu mir und bat mich, ich möge ihm den Grund jener so verzweifelten Handlung sagen. Er gab mir die Versicherung, daß er mir alle ihm möglichen Dienste erweisen wolle, und sprach dabei so rührend, daß ich mich zuletzt herabließ, ihn als ein Thier zu behandeln, welches einen kleinen Theil von Vernunft besitze. Ich gab ihm einen kurzen Bericht von meiner Reise, von der Verschwörung meiner Leute, von dem Lande wo sie mich aussetzten und von meinem dortigen fünfjährigen Aufenthalte. Der Kapitän betrachtete dies Alles wie ein Traum oder wie ein Hirngespinst, so daß ich außerordentlich zornig ward, denn ich hatte die Eigenschaft des Lügens, welche allen Yähus, wo sie auch wohnen mögen, so eigenthümlich ist, durchaus vergessen, und dachte auch deßhalb nicht an ihre Neigung hinsichtlich der Wahrheit gegen Andere ihrer eigenen Gattung Verdacht zu hegen. Ich fragte ihn deßhalb, ob es in seinem Vaterlande Gebrauch sey, das Ding zu sagen, welches nicht existire, und gab ihm die Versicherung, ich habe beinahe die Bedeutung des Wortes Falschheit vergessen, und hätte ich tausend Jahre im Hauyhnhnmslande gelebt, so würde ich doch nie eine Lüge von dem
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