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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian
Autoren: Frritz Mühlenweg
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erklärte der zweite Soldat. »Wir haben euch erobert, euch zwei Schlingel, und alle
     Pferde und alle Kanonen. Darum müsst ihr tun, was wir wollen. Vielleicht geht es, vielleicht geht es auch nicht. Es ist gefährlich,
     aber dafür ist Krieg.«
    »Da ist keine Hilfe«, sagte Großer-Tiger.
    Die beiden Soldaten lachten. Dann gingen sie fort und machten sich auf dem Bahnhof zu schaffen. Weil sie die Lokomotive nicht
     ohne Hilfe drehen konnten, stellten sie nur die Weiche um, und als sie das getan hatten, stiegen sie auf die Maschine. Die
     zwei Soldaten gehörten zu einem Eisenbahntrupp, und sie verstanden ihr Handwerk. Schon nach einer Viertelstunde sprühte ein
     gewaltiger Funkenregen aus dem Schornstein.
    »Es geht los!«, riefen die Soldaten, »haltet euch fest, ihr da vorne!«
    »Wir halten uns fest!«, schrien Christian und Großer-Tiger.
    Trotzdem fielen beide gegen die Rückwand des Bremserhäuschens, als die Lokomotive anfuhr. Die Puffer der Wagen prallten heftig
     aufeinander; danach begannen die Räder gehorsam zu rollen. Man fuhr langsam an dem Häuschen vorbei, das ein Bahnhof war, und
     dann an dem Denkmal, das weiter nichts war, und zuletzt an einer Tafel, auf der der Stationsname »Prachts-Drachen-Brücke«
     geschrieben stand. Weil es aber Nacht war, konnte man die Schrift nicht lesen.
    Gleich darauf ging es in den Tunnel, aus dem die beiden Soldaten so schrecklich geschossen hatten. Wieder entstand Donner
     und Qualm, aber der Qualm kam dieses Mal hinterdrein, denn die Lokomotive schob den ganzen langen Zug vor sich her.
    Im Tunnel war es finster wie in einem Sack. Man fuhr in eine schwarze Ungewissheit, und nur wenn die Lokomotive vor Anstrengung
     schnaufte, jagte sie aus dem Schornstein Funken und Flammen, die blitzartig die feuchten Steinwände erhellten. Dann sah man
     auch, dass es stark bergauf ging.
    Christian und Großer-Tiger wünschten sehr, der Tunnel möchte ein Ende nehmen. Allein der Tunnel war lang, und es blieb finster.
     Die Wagen rollten immer langsamer, und auf einmal ertönte ein greller Pfiff. Es war wie ein Angstschrei.
    Sofort drehten Christian und Großer-Tiger an dem Rad. Zuerst ging es leicht; aber nicht lange, so ging es schwer, und sie
     hatten Mühe.
    Am Ende des Zuges hörte man die Maschine schnaufen, ihre Räder rollten wild, und an der Decke des Tunnels jagte ohne Unterlass
     der Feuerschein. Für Sekunden stand der Zug still.
    Mit einemmal begannen die Wagen rückwärtszulaufen; ganz langsam und unheimlich ging es bergab.
    Großer-Tiger begriff als Erster, dass ein Unglück drohte. Er stemmte sich mit der Schulter gegen den Radgriff der Bremse.
     »Dieses Halterad gut festhalten!«, sagte er keuchend, »unser Leben ist nicht mehr viel wert.«
    Da hing sich Christian mit beiden Händen an eine der Radspeichen, und so verharrten beide; und sie strengten sich an, so gut
     sie es vermochten. Doch die Wagen glitten weiter bergab. Endlichkam einer der Soldaten gelaufen. Er schwenkte eine Laterne und rief: »Nicht loslassen, ihr alten Krieger! Festhalten, ihr
     geschätzten Heldensöhne! Im Vergleich zu diesem gibt es nichts Schlimmes auf der Welt!«
    Er rannte von Wagen zu Wagen, nahm die Bremsklötze, die neben den Rädern hingen, ab und schob sie rasch darunter.
    Die Räder kreischten, das Rückwärtsgleiten wurde langsamer, und schließlich stand der Zug.
    Von dem letzten Wagen her kam der Soldat gegangen. Er war schon wieder vergnügt, und seine Laterne strahlte.
    »Ihr könnt loslassen!«, sagte er. »Ihr seid wie rechte Männer!«
    Von der Maschine kam der zweite Soldat. Er hatte keine Laterne, dafür brachte er einen Brotbeutel mit, in dem süße Mohnkuchen
     waren. Mit rotem Zuckerguss waren die Zeichen für Reichtum, Glück und langes Leben darauf gemalt. Zuerst verteilte er die
     Kuchen, auf denen »Langes Leben« stand; »denn«, sagte er, »wir waren in arger Bedrängnis.«
    Christian und Großer-Tiger hatten schrecklichen Hunger.
    »Wir danken«, sagten sie; »entschuldigt, wenn wir uns nicht zurückhalten.«
    »Ihr sollt essen«, sagten die Soldaten.
    »Wir hören und gehorchen.«
    Sie setzten sich auf die Eisenleiter des Bremserhäuschens, die Soldaten setzten sich auf die Puffer, und die Laterne stellten
     sie auf das Trittbrett des nächsten Wagens.
    Als alle Kuchen verzehrt waren, sprach der erste Soldat: »Ihr seid Kriegsgefangene, doch wir vertrauen euch.«
    »Wir haben euer Brot gegessen«, sagte Großer-Tiger, »und wir sind keine
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