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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian
Autoren: Frritz Mühlenweg
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bei dem Rattern der Räder war
     es gar nicht möglich, dass der Mann auf der Maschine etwas hören konnte.
    Der Drache folgte noch immer dem Zug, aber es machte ihm Mühe, und die Schnur war sehr straff gespannt. Plötzlich gab eseinen Ruck. Da war die Schnur abgerissen. Der Drache tat einen Sprung, er taumelte in der Luft, glitt ab, fing sich wieder,
     aber dann war doch kein Halten mehr. Weit weg stürzte er in eine Gegend von Gemüsefeldern, wo Bauern in blauen Kitteln gruben,
     hackten und fleißig waren, ohne auf das zu achten, was um sie herum vorging. Sie bemerkten nicht, wie der Drache sich in die
     Erde bohrte, wie die glatten Holzstäbe zersplitterten, wie das schöne gelbe Seidenpapier zerriss, und wie sich der lange Schwanz
     am Boden ringelte.
    Christian kamen die Tränen, aber er beherrschte sich, als er sah, dass sein Freund lächelte.
    »Da ist keine Hilfe«, sagte Großer-Tiger.
    »Da ist keine Hilfe«, sagte auch der Hauptmann; aber er meinte damit den Zug, der schneller und schneller fuhr und gerade
     durch die Station Ching-Ho brauste.

Drittes Kapitel, in dem wir leider die große Schlacht am Nan-Ku-Pass mitmachen müssen
    »Vielleicht hält er in Tschang-Ping«, sagte der Hauptmann, »dann könnt ihr den Schienen entlang nach Hause gehen. Es wird
     allerdings Nacht werden, bis ihr in Peking seid   …«
    »Da schließen sie die Stadttore«, sagte Großer-Tiger.
    »Was wird die Ama sagen!« dachte Christian.
    Aber der Stationsvorsteher von Tschang-Ping wollte keine Soldaten in seinem Bahnhof haben. Darum stellte er das Signal auf
     freie Durchfahrt, und als er sich vorschriftsmäßig vor dem vorübersausenden Zug verneigt hatte, telefonierte er geschwind
     seinem Kollegen nach Nan-Ku, dass er es ebenso machen solle. Da fuhr der Zug auch an Nan-Ku vorbei, und es wurde Abend. Großer-Tiger
     und Christian sahen sich betrübt an, und Großer-Tiger sagte, so gelassen er eben konnte: »Da ist keine Hilfe.«
    »Da ist keine Hilfe«, sagte auch der Hauptmann; »nehmt euch zwei Decken, damit ihr nicht friert, und legt euch schlafen.«
    Doch Christian und Großer-Tiger wollten nicht schlafen. Siehingen sich die Decken um die Schultern, und sie schauten auf die hohen Hsingan-Berge, die sie zum ersten Mal sahen. Der Zug
     fuhr jetzt langsam, denn es ging bergauf. Bald sah man von dem Bahndamm auf Hütten und Felder und auf die Passstraße hinab,
     wo Reiter mit Pferden und Lasteseln zu Tal zogen. Auch kleine Trupps Soldaten marschierten und winkten. Sie riefen etwas,
     aber man konnte ihre Zurufe nicht verstehen. Der Hauptmann zog die Stirne kraus, aber er sagte nichts.
    Bald wurde es dunkel. Die Sichel des zunehmenden Mondes stand über den westlichen Berggipfeln, und im Tal hörte man einen
     Hund bellen. Dann wurde es ganz still. Nur das Schnaufen der Maschine und das Rollen der Räder begleitete den Zug. Plötzlich
     pfiff die Lokomotive, und gleich darauf wurde es ganz finster. Ein großer Qualm und ein großer Donner entstand. Christian
     erschrak, und auch Großer-Tiger fürchtete sich.
    »Keine Angst«, sagte der Hauptmann, »wir sind in einem Tunnel. Gleich kommen wir nach Tsing-Lung-Kiao, da müssen wir alle
     aussteigen. Wenn ihr Glück habt, könnt ihr morgen früh mit den leeren Wagen nach Peking zurückfahren.«
    »Und wenn wir kein Glück haben?«, fragte Christian.
    »Dann habt ihr eben kein Glück«, sagte der Hauptmann, »da ist kein Ausweg.«
    Kaum hatte der Hauptmann das gesagt, glänzten die Sterne wieder über den Bergen, und der Zug fuhr in die Station ein. Nur
     ein Denkmal und ein niederes Häuschen standen neben dem Gleis. Das Häuschen war der Bahnhof, und das Denkmal war für den chinesischen
     Ingenieur errichtet, der die Bahn gebaut hatte. Hier musste jeder Zug halten, weil man die Lokomotive umdrehen musste, und
     dann war der letzte Wagen der erste, sobald die Reise weiterging. Aber sie konnte nicht weitergehen, auch wenn der Hauptmann
     gewollt hätte, denn   … Aber das werden wir gleich erfahren.
    »Ihr könnt auf dem Wagen bleiben und ein bisschen schlafen«, sagte der Hauptmann, »wir fahren erst morgen früh weiter, oder
     wir laden aus, je nachdem.«
    Was heißt je nachdem, befehlender Herr?«, fragte Großer-Tiger. »Hast du Mut?«, fragte der Hauptmann dagegen.
    »Je nachdem, befehlender Herr«, sagte Großer-Tiger.
    Da lachte der Hauptmann und sagte, Großer-Tiger sei ein großer Schlingel. Er deutete auf das dunkle Tor des Tunnels, das sie
     eben durchfahren
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