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Große Tiere: Roman (German Edition)

Große Tiere: Roman (German Edition)

Titel: Große Tiere: Roman (German Edition)
Autoren: Carl Hiaasen
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ihm passierte), hatte Francis X. Kingsbury sich eine andere gefährdete Tierart ausgesucht und seine Belegschaft angewiesen, sie zu schützen. So wurde das Wühlmaus-Projekt geboren.
    Koocher wurde angerufen, als er gerade seine Doktorarbeit an der Cornell University fertigstellte. »Ich hatte zwei Grundlagenstudien über die Gattung Microtus veröffentlicht, so daß sie wahrscheinlich daher meinen Namen kannten. Wie dem auch sei, dieser Chelsea rief an und fragte, ob ich schon mal von Microtus mango gehört habe, und ich sagte nein, ich beschäftige mich eigentlich nur mit den nördlichen Arten. Er schickte mir einen wissenschaftlichen Aufsatz und bot mir einen Job an. Vierzigtausend im Jahr.«
    »Das ist aber ganz schön, wenn man gerade von der Uni kommt.«
    »Wem sagen Sie das. Ich bin mit qualmenden Reifen direkt auf der Interstate hergekommen.«
    »Und hier lernten Sie dann Vance und Violet kennen.«
    »Wer ist das denn?«
    »Das sind die Mäuse«, sagte Winder. »Sie tragen jetzt Namen.«
    »Tatsächlich?« Will Koocher blickte leicht zweifelnd. »Ich habe sie immer Männlich Eins und Weiblich Eins genannt.«
    »Das ist vorbei. Kingsbury hat große Pläne, PR-mäßig. Diese kleinen Mangoschätzchen werden noch berühmt – seien Sie nicht überrascht, wenn morgen das Fernsehen erscheint.«
    »Kaum zu glauben«, sagte Koocher ohne besondere Begeisterung. Winder spürte, daß der Wissenschaftler mißbilligte, daß Nagetiere mit menschlichen Attributen ausgestattet wurden, daher beschloß er, die Vance-und-Violet-Nummer aus dem Spiel zu lassen. Statt dessen erkundigte er sich nach der Zunge.
    »Nun, die ist wirklich blau«, sagte Koocher mürrisch. »Erstaunlich blau.«
    »Könnte man sagen, indigo?« Joe Winder machte sich Notizen.
    »Ja«, sagte Koocher, »das stimmt in etwa.« Er wollte noch etwas hinzufügen, bremste sich aber rechtzeitig.
    Joe Winder fragte: »Woran sind denn all die anderen gestorben? An einer Krankheit?«
    »Nein, immer die gleiche alte Geschichte. Durch das Eingreifen des Menschen.« Koocher faltete eine Landkarte auseinander, die zeigte, daß die Mangowühlmaus früher von den Middle Keys bis nach Palm Beach anzutreffen war. Im gleichen Maße, wie die Küste von Hotels, Ferienparks und Apartmentblocks zugedeckt wurde, schrumpfte der Lebensraum der Mäuse. »Es heißt, daß die letzte Kolonie sich etwa hier halten konnte, auf North Key Largo. Einer von Kingsburys Arbeitern fand sie im Jahr 1988, aber das traf auch auf eine hungrige Eule zu. Sie hatten großes Glück, die beiden letzten retten zu können.«
    »Und sie wurden ein Paar fürs Leben?« fragte Winder.
    Koocher schien sich darüber zu amüsieren. »Wer hat Ihnen denn das erzählt?«
    »Chelsea.«
    »Typisch. Wühlmäuse bilden keine Lebensgemeinschaften. Sie paaren sich aus Spaß an der Freude, und als Partner nehmen sie alles, was auch nur entfernt einer anderen Wühlmaus ähnelt.«
    Winder sagte: »Dann habe ich noch eine andere dumme Frage. Warum waren nur zwei in der Ausstellung? Sie waren doch, Moment mal, ein ganzes Jahr zusammen. Wo sind denn all die süßen Babywühlmäuse abgeblieben?«
    Mit einem verletzten Unterton erwiderte Koocher: »Das war unsere größte Enttäuschung.«
    »Ich hab einiges darüber gelesen«, sagte Winder. Üblicherweise wirft das Microtus- Weibchen alle zwei Monate. Jeder Wurf besteht aus acht oder neun Jungen – bei dieser Vermehrungsrate könnte man die Rasse innerhalb eines Jahres wieder auffüllen.«
    Will Koocher wand sich in sichtlichem Unbehagen. »Weiblich Eins war nicht empfangsbereit«, sagte er. »Verstehen Sie, was das heißt?«
    »Wie sollte ich.«
    »Es war ein Extremfall. Das weibliche Tier brachte das Männchen bei mehreren Gelegenheiten fast um. Wir mußten jemanden von Wackenhut anheuern, damit er den Käfig überwachte.«
    »Einen Wächter?« fragte Joe Winder.
    »Um zu verhindern, daß sie auf das Männchen losgeht.«
    Winder verschluckte ein Lachen. Offenbar konnte Koocher an der Geschichte nichts Lustiges finden. Er sagte: »Der kleine Bursche tat mir leid. Das Weibchen war viel größer und extrem feindselig. Jedesmal, wenn das Männchen sich mit ihr paaren wollte, attackierte sie ihn.«
    Joe Winder steckte sein Notizbuch weg. Er müßte sich irgend etwas ausdenken, um die Fortpflanzungsfrage zu umgehen.
    Koocher sagte: »Die weibliche Wühlmaus paßte nicht so richtig.«
    »In welcher Weise?«
    Aber Koocher starrte an ihm vorbei. Winder wandte sich um und sah Charles
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