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Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Titel: Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)
Autoren: Bernd Frenz
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steckten die Köpfe zusammen. Es war nichts zu hören, aber offensichtlich fand eine Verständigung statt. Schließlich trat der blonde Maneas zurück, nickte und sagte nur: »Bruder.«
    Laetas wandte sich an uns und flüsterte: »Wir teilen uns auf. Je ein Kleiner folgt einem Großen. Maneas und ich, wir gehen links und rechts am Rand der Lichtung entlang. Gulbert greift vom Weg aus an und sorgt dafür, dass niemand in die Richtung flieht, aus der wir gekommen sind. Wir müssen die Alben mit unserem Angriff überraschen und dürfen ihnen keine Zeit zum Zaubern geben.«
    Er teilte die Gruppen ein und huschte davon, Malangar auf den Fersen. Gulbert sah ihnen nach. »Da haben sie ja hübsch alle Bogenschützen für sich behalten«, wisperte er mir zu. »Hast du überhaupt eine Waffe, Volpar?«
    Ich zog meinen Dolch heraus und hielt ihn tapfer in die Höhe.
    Gulbert betrachtete mich mit zweifelndem Blick. Zugegeben, es war kaum mehr als ein Zahnstocher für einen Goblin. Aber ich lächelte und flüsterte Gulbert zu: »Denke daran, alter Zauberer: Niemand sieht einen Wichtel, wenn der es nicht mag. Ich verberge mich hier am Pfad, und wenn so ein Alb vorbeikommt – zack! Ereilt ihn der Tod aus dem Nichts! Wir sind die geborenen Meuchelmörder, wir Halblinge.«
    »Gut, gut«, antwortete Gulbert. Sein fülliger Bart kräuselte sich in einem Lächeln. »Dann bleib du hier, und … halte mir den Rücken frei, während ich mir den Turm vornehme.«
    Ich nickte und huschte in den Schutz des Dornengesträuchs. Gulbert griff seinen Stab fester und trat auf die Lichtung. Schon rollten Silben von seinen Lippen, sie hallten laut und grollend über die Fläche wie von einem anderen gesprochen, einem Riesen oder einem der alten Götter, wie die Trolle sie noch verehrten. Unwillkürlich zog ich den Kopf ein, wegen des Zaubers ebenso wie bei dem Gedanken, dass Gulbert nun ganz ungeschützt vor dem Turm stand und gewiss kein Alb diese Stimme überhören konnte!
    Da stieß der Zauberer mit einem Arm den knorrigen Stab nach vorne. Seine weißen Haare standen nach allen Seiten ab, und blaue Funken knisterten an den Spitzen. Vom dicken Ende des Stabs löste sich eine purpurne Flamme, fuhr wie ein lebendes Wesen auf den Albenturm zu und umzüngelte tentakelgleich das weiße Mauerwerk. Gulbert intonierte weiter seinen Zauber, nährte die Flamme, die durch die Fenster in das Innere des Bauwerks leckte und außen den Stein selbst in Brand setzte … Nein, kein Stein, ein dünneres, festeres Material wie Knochen. Der ganze Albenturm erschien mir mit einem Mal wie das gewaltige Schulterbein eines Drachen, dessen eines Ende aus der Erde ragte, durch die Jahrhunderte abgerundet und glatt geschmirgelt vom Wetter und von den Alben als Wohnraum ausgehöhlt.
    Von Gulberts Zauberfeuer in Brand gesteckt, loderte das Mauerwerk nun aus eigener Kraft weiter. Die Flammen waren so gleißend hell, dass sie fast unsichtbar wirkten. Ich sah ein verschwommenes Gesicht hinter einem der Fenster im Obergeschoss auftauchen. Eine Gestalt wollte sich nach draußen beugen und zuckte vor der Hitze zurück. Eine weitere Gestalt lief unten aus dem Eingang des Turmes heraus. Sie trug einen Kapuzenumhang und schwang eine metallisch glänzende Klinge. Sie stürmte auf Gulbert zu, aber unvermittelt steckte ein Pfeil in ihrem Hals und nagelte das Gewand fest wie die Schließe einer übergroßen Fibel. Der waffenschwingende Alb brach auf dem mit blaurotem Kraut bewachsenen Boden der Lichtung zusammen.
    Aus einem der Fenster zuckte etwas auf Gulbert zu, ein schwarzer Blitz wie der Strahl eines Unlichts. Gulbert fing ihn mit seinem Stab ab, und sein eigenes Zauberfeuer überstrahlte die magische Dunkelheit, fuhr den Blitzkanal entlang bis zum Turm, und fortan kam kein weiterer Zauber mehr von dort.
    Doch plötzlich war alles voll von Nachtalben. Zumindest ein halbes Dutzend von ihnen rannte aus dem Turm heraus, mit Waffen in den Händen und Zaubern auf den Lippen. Wieder stürmte ein Alb auf Gulbert zu, zu schnell für eine magische Verteidigung. Gulbert packte seinen Stab am dünnen Ende und schwang ihn wie eine Keule. Mein Herz schlug rascher. Ich zog mich tiefer ins Dunkel des Waldes zurück und verlor so die Lichtung aus dem Blick. Nur Schreie drangen noch an mein Ohr, dumpfe Schläge, und ich roch den beißenden Qualm des brennenden Turmes.
    Dann hörte ich abgehackte Atemzüge. Sie kamen auf mich zu! Ich hielt den Dolch mit beiden Händen und kauerte mich in die Dornenranken.
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