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Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 1 (German Edition)

Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 1 (German Edition)

Titel: Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 1 (German Edition)
Autoren: Aileen P. Roberts
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weiter in den Sumpf hinein. Allerdings zweifelte er nach kurzer Zeit an der Klugheit seiner Entscheidung, denn schon bald hatte er die Orientierung gänzlich verloren. Tiefer und tiefer sanken seine Füße in den Morast. Wenn er hier im Moor versank, hatte er nichts gewonnen – und suchen tat ihn ganz sicher so weit von seiner Siedlung niemand. Möglicherweise wäre seine Familie ja sogar froh, ihn loszusein, ihn, den schmächtigen Zwerg ohne Bartwuchs. Ein leises Schluchzen entstieg Dimdurs Kehle, und als er sich über die Augen wischte, achtete er nicht auf seinen Weg. Unvermittelt steckte er bis zur Hüfte in einer zähen braunen Masse.
    Bei allen Zwergengöttern, jetzt ist es aus , dachte Dimdur, denn was er auch tat, es gelang ihm nicht, sich zu befreien. Gruselig waberten die Nebelschwaden an ihm vorüber, berührten sein Gesicht, und unwillkürlich musste er an kalte, tote Finger denken. Die Ältesten hatten Geschichten von Geistern erzählt, die ruhelos durchs Moor zogen. Kamen sie jetzt etwa, um ihn zu holen, seine Seele zu rauben und auf immer hier zu binden? Dimdur erwägte, nach Hilfe zu schreien. Ein Elfenpfeil im Herzen war vielleicht besser, denn als ruhelose Moorleiche umherzuwandeln, aber dann traute er sich doch nicht. Noch einmal zerrte Dimdur an seinem Bein, drehte sich nach rechts und links und fluchte dabei derart derb, dass selbst sein Vater Fengaar stolz auf ihn gewesen wäre. Trotzdem waren seine Mühen nicht von Erfolg gekrönt.
    »Dann holt mich doch, ihr dürren, bleichen Waldgespenster«, schrie er schließlich in seiner Verzweiflung.
    Als er jedoch nach rechts sah, verwünschte er sich für seinen unüberlegten Ruf. Auf einen Langbogen gestützt, stand eine Elfe neben ihm und musterte ihn stumm. Dimdur schluckte schwer, und nachdem er seinen ersten Schrecken überwunden hatte, bemerkte er, dass sie anders aussah als alle Elfen, die er bisher getroffen hatte. Sie war deutlich kleiner, ihre Haut von einer dunkleren Farbe, ähnlich dem Sumpfwasser, und ihr langes Haar, in das Schilf und Blätter eingeflochten waren, war von einem grünlichen Braun, sodass sie beinahe mit der Umgebung verschmolz.
    »Na los, dann erschieß mich doch«, verlangte er zornig und klatschte mit seinen breiten Händen aufs Wasser.
    »Weshalb sollte ich das tun?«
    Verdutzt stutzte Dimdur. »Gehörst du nicht zu – denen?« Er deutete in die Richtung, aus der er gekommen war.
    »Nein, tue ich nicht. Mein Name ist Raliána.«
    »Ähm, also, ich bin Dimdur«, stellte er sich vor. »Was im Namen der Götter bist du?«
    »Diese Frage habe ich mir bei dir zuerst auch gestellt.« Sie sprach etwas tiefer, weniger melodisch als die anderen Elfen, aber doch in einem weichen, sympathischen Tonfall, der eine gewisse Belustigung erahnen ließ. Raliánas sanft geschwungene Lippen hoben sich, dann hielt sie ihm das Ende ihres Bogens hin. »Ich bin eine Moorelfe. Nun greif schon zu, oder steckst du freiwillig in diesem Loch?«
    Vor Staunen weiteten sich Dimdurs Augen, dann griff er jedoch beherzt zu. Moorelfen – davon hatte er noch nie gehört. Mit überraschender Kraft zog die zierliche, schlanke Raliána ihn aus dem Sumpf, wobei sich Muskeln unter ihrem engen grauen Hemd abzeichneten und ihre hohen Wangenknochen vor Anstrengung noch weiter hervortraten. Es schmatzte, es blubberte – Dimdur hatte das Gefühl, ihm würden die Arme ausgerissen werden, aber schließlich stand er auf halbwegs festem Grund. Wasser troff aus seiner Hose.
    »Herzlichen Dank, Raliána von den Moorelfen.«
    »Es war mir eine Ehre, Dimdur. Bist du hungrig?«
    Dimdur war stets hungrig, und daher nickte er, ohne weiter nachzudenken.
    »Dann folge mir.« Mit leichten Schritten, die den Boden kaum eindrückten, schritt die Moorelfe voran und führte Dimdur zu einer von hohem Schilf bewachsenen Erhebung in den Sümpfen. Mit seinen Füßen prüfte er den Untergrund und freute sich, als er festes Erdreich unter seinen nackten Zehen spürte. Hinter einem Felsen holte die Elfe ein Bündel hervor und zauberte getrocknetes Fleisch, Räucherfisch und hartes graues Brot aus ihrem Leinenbeutel. Begeistert griff Dimdur zu, und auch wenn der Geschmack ungewohnt war, ließ er es sich schmecken. Als er sah, wie Raliána irgendwann eine ihrer feinen braunen Augenbrauen hob, hielt er inne. Ihm schwante, dass er möglicherweise ihre Ration von mehreren Tagen verspeist hatte, doch sie rügte ihn nicht. Betreten räusperte er sich und versuchte, von seiner unbedachten Gier
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