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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen
Autoren: Leigh Bardugo
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durchfuhr ein leiser Ruck, den ich sofort unterdrückte. »Morgen um diese Zeit sitzen wir am Hafen von Os Kerwo, blicken aufs Meer und trinken Kwass«, sagte er.
    Ich sah zum schwankenden Dubrow und musste lächeln. »Mit Dubrow?«
    Â»Nein, nur wir beide«, sagte Maljen.
    Â»Ist das dein Ernst?«
    Â»Es gibt immer nur uns beide, Alina.«
    Ich wollte ihm gern glauben. Die Welt bestand auf einmal nur noch aus dieser Treppe, dem Lichtkegel der Straßenlaterne und dem Dunkel, in dem wir zu schweben schienen.
    Â»Komm endlich«, brüllte Michail.
    Maljen schrak auf, als hätte man ihn aus einem Traum gerissen. Er drückte ein letztes Mal meine Hand. »Ich muss los«, sagte er und setzte sein gewohnt freches Grinsen auf. »Ich brauche noch eine Mütze Schlaf.«
    Er sprang leichtfüßig von der Treppe und lief zu seinen Freunden. »Drück mir die Daumen«, rief er über die Schulter.
    Â»Viel Glück«, sagte ich automatisch, hätte mich danach aber am liebsten selbst in den Hintern getreten. Viel Glück? Wohl besser viel Vergnügen, Maljen. Ich hoffe, du findest eine hübsche Grischa, verliebst dich bis über beide Ohren und bekommst mit ihr viele umwerfend schöne, hochbegabte Kinder.
    Ich blieb wie erstarrt auf der Treppe sitzen und sah den drei Männern nach, die auf dem Pfad verschwanden. Ich spürte noch Maljens warmen Händedruck. Na gut, dachte ich beim Aufstehen. Vielleicht landet er auf dem Weg zu ihr ja in einem Graben.
    Ich schlich mich wieder in die Unterkunft, schloss die Tür und schlüpfte dankbar unter meine Decke.
    Ob sich die schwarzhaarige Grischa aus dem Pavillon stahl, um Maljen zu treffen? Ich verdrängte den Gedanken. Es ging mich nichts an und ich wollte es auch nicht wissen. Maljen hatte mich nie so schwärmerisch angesehen wie diese Grischa oder meinetwegen Tanja, und er würde mich auch nie so ansehen. Am wichtigsten war für mich jedoch, dass wir gute Freunde waren.
    Wie lange noch? , fragte eine zweifelnde Stimme in meinem Inneren. Alexej hatte Recht: Nichts blieb, wie es war. Maljen hatte sich zum Besseren verändert; er war jetzt hübscher, mutiger und forscher. Und ich war … ein bisschen größer geworden. Ich drehte mich seufzend auf die Seite. Ich wollte gern bis an mein Lebensende mit Maljen befreundet bleiben, aber ich musste wohl akzeptieren, dass wir unterschiedliche Wege eingeschlagen hatten. Während ich im Dunkeln auf den Schlaf wartete, fragte ich mich, ob uns diese Wege immer weiter voneinander fortführen würden, ob irgendwann der Tag käme, an dem wir füreinander vollkommen Fremde wären.

Der Morgen verflog wie im Traum: Frühstück, ein kurzer Abstecher zum Dokumentenzelt, um einen Vorrat an Tinte und Papier einzupacken, danach das Chaos auf dem Anleger, wo ich mit den anderen Feldmessern darauf wartete, an Bord eines Sandskiffs gehen zu dürfen. Hinter uns erwachte Kribirsk zur gewohnten Geschäftigkeit. Vor uns lag die unheimliche, wabernde Finsternis der Schattenflur.
    Da Tiere unterwegs zu laut waren und oft scheuten, nahm man die Durchquerung auf Sandskiffs vor, flachen Schlitten mit großen Segeln, die fast lautlos über den leblosen grauen Grund glitten. Auf der Hinfahrt waren sie mit Getreide, Holz und Baumwolle beladen. Auf der Rückfahrt beförderten sie Zucker, Gewehre und andere Waren, die in den Seehäfen von West-Rawka gelöscht wurden. Beim Anblick eines der Skiffs, das nur ein Segel und eine niedrige Reling hatte, beschlich mich der Gedanke, dass es herzlich wenig Schutz bot.
    Vor dem Mast eines jeden Skiffs standen zwei Ätheralki des Ordens der Beschwörer. Sie trugen dunkelblaue Keftas mit silbernen Stickereien auf Ärmelaufschlägen und Saum, die sie als Stürmer auswiesen: Grischa, die den Luftdruck erhöhen oder senken konnten, damit die Skiffs immer guten Wind für eine rasche Durchquerung der Schattenflur hatten. Jeder Stürmer war von zwei bis an die Zähne bewaffneten Soldaten flankiert.
    An der Reling standen weitere mit Gewehren bewaffnete Soldaten, befehligt von einem grimmigen Offizier, sowie mehrere Ätheralki mit den roten Ärmelaufschlägen der Inferni. Sie konnten Flammen heraufbeschwören.
    Auf einen Wink des Kapitäns führte der Oberste Kartograf Alexej, mich und unsere Kameraden auf das Skiff, wo wir uns zu den Passagieren gesellten. Er selbst trat neben die Stürmer, um
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