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Grischa: Goldene Flammen

Grischa: Goldene Flammen

Titel: Grischa: Goldene Flammen
Autoren: Leigh Bardugo
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ihnen bei der Navigation durch die Finsternis zu helfen, obgleich sein Kompass auf der Schattenflur so gut wie nutzlos war. Nach einer Weile entdeckte ich Maljen, der mit den Fährtenlesern auf der anderen Bordseite stand. Auch sie waren mit Gewehren ausgerüstet. Hinter ihnen hatten sich Bogenschützen aufgereiht, die Köcher voller Pfeile mit Spitzen aus Grischa-Stahl. Ich tastete nach dem Griff des in meinem Gürtel steckenden Militärmessers, aber das stimmte mich nicht zuversichtlicher.
    Der Ruf eines Vorarbeiters erscholl und Gruppen stämmiger Männer machten sich daran, die Skiffs aus den Anlegern auf den farblosen Sand zu schieben. Sie rannten rasch zurück, als würde der fahle, tote Sand ihre Füße verbrennen.
    Schließlich war unser Skiff an der Reihe. Ein Ruck ging durch seinen Rumpf und dann knirschte es über den Boden. Ich hielt mich an der Reling fest, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Mein Herz schlug wie wild. Die Stürmer hoben die Arme und mit einem lauten Knall fuhr der Wind in das Segel. Unser Skiff schoss auf die Schattenflur.
    Anfangs schienen wir durch eine dichte Rauchwolke zu gleiten, aber es war weder heiß noch roch es nach Feuer. Im nächsten Moment war alles wie gedämpft, die ganze Welt verstummt. Vor uns verschwand ein Sandskiff nach dem anderen in der Finsternis. Zuerst wurde mir bewusst, dass unser Bug im Dunklen lag, dann merkte ich, dass ich nicht einmal mehr meine auf der Reling liegende Hand erkennen konnte. Als ich einen Blick über die Schulter warf, war die Welt der Lebenden außer Sicht. Dunkelheit umgab uns, schwarz, allgegenwärtig, ohne Gewicht. Wir befanden uns auf der Schattenflur.
    Hier war die Welt zu Ende. Ich klammerte mich an die Reling, spürte, wie sich das Holz in meine Handfläche grub, war dankbar für den Halt. Darauf konzentrierte ich mich, richtete meine Gedanken auf die Zehen in meinen fest auf dem Deck stehenden Stiefeln. Links von mir hörte ich Alexej atmen.
    Ich versuchte, an die Soldaten mit ihren Gewehren und die Inferni in ihren dunkelblauen Keftas zu denken. Sie hofften genau wie ich, die Schattenflur heimlich, still und leise durchqueren zu können; ohne Not würden sie weder einen Schuss abfeuern noch Flammen heraufbeschwören. Trotzdem war es mir ein Trost, dass sie an Bord waren.
    Schwer zu sagen, wie lange die Skiffs dahinglitten. Das einzige Geräusch war das leise Knirschen des Sandes unter dem Kiel. Vielleicht waren es Minuten, vielleicht Stunden. Alles wird gut, redete ich mir im Stillen ein. Alles wird gut. Dann spürte ich, wie Alexej nach meiner Hand tastete und mein Handgelenk packte.
    Â»Hörst du das?«, flüsterte er heiser vor Entsetzen. Anfangs konnte ich nur seinen stoßweisen Atem und das regelmäßige Sausen des Skiffs hören. Dann vernahm ich in der Finsternis auf einmal ein leises, aber unverkennbares Geräusch: rhythmisches Flügelklatschen.
    Ich hielt mich an Alexejs Arm fest und griff mit der anderen Hand nach dem Messer. Mein Herz hämmerte und ich strengte die Augen an, um in der Schwärze etwas zu erkennen. Ich hörte, wie die Schlagbolzen der Gewehre gespannt und Pfeile aufgelegt wurden. Jemand flüsterte: »Alle bereithalten.« Wir warteten, horchten auf die immer näher kommenden, immer lauter werdenden Flügelschläge, die wie Trommeln einer vorrückenden Armee klangen. Ich bildete mir ein, Wind auf meinen Wangen zu spüren – wir wurden eingekreist, sie kamen immer näher.
    Â»Feuer!«, erschallte der Befehl. Feuersteine schlugen auf Reiberäder, und ein explosionsartiges Rauschen ertönte, als auf jedem Skiff Grischa-Flammen in die Höhe zuckten.
    Ich starrte aus zusammengekniffenen Augen in die plötzliche Helligkeit. Sobald sich mein Blick darauf eingestellt hatte, sah ich sie im Flammenschein … Volkra. Angeblich bildeten sie nur kleine Schwärme, aber unser Skiff wurde von Hunderten umschwärmt. Sie waren furchterregender als alles, was ich je in irgendwelchen Büchern gesehen hatte, grauenhafter als jedes Ungeheuer in meiner Fantasie. Schüsse krachten. Pfeile sausten von Sehnen. Das schrille und schreckliche Kreischen der Volkra zerriss die Luft.
    Dann stürzten sie sich auf uns. Ein Schrei ertönte und ich sah entsetzt, wie ein strampelnder, fuchtelnder Soldat in die Höhe gerissen wurde. Alexej und ich kauerten uns nebeneinander an die Reling, umklammerten
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