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Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)

Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)

Titel: Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
Autoren: Wilhelm Carl Grimm , Jacob Ludwig Carl Grimm
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das heißt, für einen gesunden Zustand, ist sie gewiß unnötig. Nichts besser kann uns verteidigen, als die Natur selber, welche gerade diese Blumen und Blätter in dieser Farbe und Gestalt hat wachsen lassen; wem sie nicht zuträglich sind, nach besondere Bedürfnissen, wovon jene nichts weiß, der kann nicht fordern, daß sie darnach anders gefärbt und geschnitten werden sollen. Oder auch Regen und Tau, fällt als eine Wohltat für alles herab, was auf der Erde steht, wer seine Pflanzen nicht hineinzustellen getraut, weil sie zu empfindlich sind, und Schaden nehmen könnten, sondern lieber in der Stube mit abgeschrecktem Wasser begießt, wird doch nicht verlangen, daß Regen und Tau darum ausbleiben sollen. Gedeihlich aber kann alles werden, was natürlich ist, und darnach sollen wir trachten. Übrigens wissen wir kein gesundes und kräftiges Buch, welches das Volk erbaut hat, wenn wir die Bibel obenan stellen, wo solche Bedenklichkeiten nicht in ungleich größerm Maaß einträten; der rechte Gebrauch aber findet nichts Böses heraus, sondern wie ein schönes Wort sagt: ein Zeugnis unseres Herzens. Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, während andere, nach dem Volksglauben, die Engel damit beleidigen.
     
    Gesammelt haben wir an diesen Märchen seit etwa dreizehn Jahren, der erste Band, welcher im Jahr 1812 erschien, enthielt meist, was wir nach und nach in Hessen, in den Main- und Kinziggegenden der Grafschaft Hanau, wo wir her sind, von mündlichen Überlieferungen aufgefaßt hatten. Der zweite Band wurde im Jahr 1814 beendigt, und kam schneller zu Stande, teils weil das Buch selbst sich Freunde verschafft, die es nun, wo sie bestimmt sahen, was und wie es gemeint wäre, unterstützten, teils weil uns das Glück begünstigte, das Zufall scheint, aber gewöhnlich beharrlichen und fleißigen Sammlern beisteht. Ist man erst gewöhnt, auf dergleichen zu achten, so begegnet es doch häufiger, als man sonst glaubt, und das ist überhaupt mit Sitten, Eigentümlichkeiten, Sprüchen und Scherzen des Volkes der Fall. Die schönen plattdeutschen Märchen aus dem Fürstentum Münster und Paderborn, verdanken wir besonderer Güte und Freundschaft, das Zutrauliche der Mundart bei der innern Vollständigkeit, zeigt sich hier besonders günstig. Dort, in den altberühmten Gegenden deutscher Freiheit, haben sich an manchen Orten die Sagen und Märchen als eine fast regelmäßige Vergnügung der Feiertage erhalten, und das Land ist noch reich an ererbten Gebräuchen und Liedern. Da, wo die Schrift teils noch nicht durch Einführung des Fremden stört, oder durch Überladung abstumpft, teils, weil sie sichert, dem Gedächtnis noch nicht nachlässig zu werden gestattet, überhaupt bei Völkern, deren Literatur unbedeutend ist, pflegt sich als Ersatz die Überlieferung stärker, und ungetrübter zu zeigen. So scheint auch Niedersachsen mehr als andere Gegenden behalten zu haben. Was für eine viel vollständigere und innerlich reichere Sammlung wäre im 15. Jahrhundert, oder auch noch im 16. zu Hans Sachsens und Fischarts Zeiten in Deutschland möglich gewesen. 2
     
    Einer jener guten Zufälle aber war es, daß wir aus dem bei Cassel gelegenen Dorfe Nieder-Zwehrn eine Bäuerin kennen lernten, die uns die meisten und schönsten Märchen des zweiten Bandes erzählte. Diese Frau, Namens Viehmännin, war noch rüstig, und nicht viel über fünfzig Jahre alt. Ihre Gesichtszüge hatten etwas Festes, Verständiges und Angenehmes, und aus großen Augen blickte sie hell und scharf. 3 Sie bewahrte die alten Sagen fest im Gedächtnis, eine Gabe, die, wie sie wohl sagte, nicht jedem verliehen sei, und mancher gar nichts im Zusammenhange behalten könne. Dabei erzählte sie bedächtig, sicher und ungemein lebendig mit eigenem Wohlgefallen daran, erst ganz frei, dann, wenn man es wollte, noch einmal langsam, so daß man ihr mit einiger Übung nachschreiben konnte. Manches ist auf diese Weise wörtlich beibehalten, und wird in seiner Wahrheit nicht zu verkennen sein. Wer an leichte Verfälschung der Überlieferung, Nachlässigkeit bei Aufbewahrung, und daher an Unmöglichkeit langer Dauer als Regel glaubt, der hätte hören müssen, wie genau sie immer bei der Erzählung blieb, und auf ihre Richtigkeit eifrig war; sie änderte niemals bei einer Wiederholung etwas in der Sache ab, und besserte ein Versehen, sobald sie es bemerkte, mitten in der Rede gleich selber. Die Anhänglichkeit an das Überlieferte ist bei Menschen, die in gleicher
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