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Grimes, Martha - Mordserfolg

Grimes, Martha - Mordserfolg

Titel: Grimes, Martha - Mordserfolg
Autoren: Martha Grimes
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Einzige am Tisch, die an keinem Buch arbeitete, geschweige denn demnächst eines publizieren würde.
    »Haben Sie denn kein neues Buch fertig?«, erkundigte sich Sally.
    Jamie erwiderte: »Nein. Ach Gott, aber schön wär’s. Es wird wieder ein Kriminalroman. Ich komme einfach nicht auf die Lösung.«
    Sally sah sie verständnislos an. »Wissen Sie denn die Lösung nicht schon, wenn Sie anfangen?«
    »Sie meinen, wie es ausgeht? Ach Gott, nein. Es ist so schon langweilig genug, aber wenigstens habe ich dann den Vorteil, dass ich nicht weiß, was passieren wird, und kann mich selbst überraschen.«
    »Aber… wieso ist das ein Vorteil? Ich hätte jetzt gedacht, Sie sitzen wie auf Kohlen.« Irgendwie fand Sally es beunruhigend, dass Jamie den Schluss nicht wusste. »Und was ist mit all den ungelösten Aspekten?«
    Jamie zuckte achtlos die Schultern. »Ach, das Leben ist voller ungelöster Aspekte. Jeder Tag sieht doch aus, als hätte man ihn durch den Papierschredder gelassen. Und wenn man nicht weiß, was passieren wird, ist man im Vorteil, weil man dann nicht so viel denken und Familientabellen aufstellen muss – Sie wissen schon, wer wohin gehört und wann. Man muss sich auch keine Charakterbeschreibungen ausdenken und solchen Mist.«
    »Aber, Jamie, irgendwann müssen Sie es doch tun.«
    »Ja, aber man kann es immer wieder verschieben. Sie sehen ganz geschockt aus«, sagte Jamie und lachte. »Also: Sie sollten mal anfangen, ein Buch zu schreiben, und sich dann treiben lassen. Sie schreiben einfach weiter und weiter und versuchen möglichst, nicht allzu viel drüber nachzudenken. Die Hälfte aller Schriftsteller in Manhattan hat eine Schreibblockade, weil die sich nicht an diese einfache Regel halten.«
    » Welche Regel? So wie Sie’s ausgedrückt haben, gibt es doch keine Regel.«
    »Na ja, nicht, wenn man es sozusagen auf Henry James’sche Art betrachtet.«
    Sally starrte sie völlig perplex an.
    Ned erwachte aus seiner Nathalie-bedingten Erstarrung, einer Erstarrung, die von zwei Bourbon und zwei Flaschen Wein noch verstärkt worden war, ganz zu schweigen von den gegrillten Muscheln, der Ente und nun diesem Dessert aus gebackenen Feigen mit Grand Marnier. »Wieso Henry James?«, fragte er. »Was denn für eine James’sche Art?«
    Jamie meinte: »Finden Sie nicht, er hat alle seine Bücher total durchstrukturiert und schon, bevor er anfing, mit Details überladen? All diese perfekt gemeißelten Sätze, all diese Wendungen, straff wie gespannte Klaviersaiten. Zupft man eine, dann klingt es, hab ich Recht?«
    »Ja, das muss aber nicht unbedingt heißen, dass die Handlung schon festlag, bevor er anfing.« Ned nahm einen Bissen von der mit Schlagsahne umhüllten Feige und sinnierte, dass Essen doch eine höchst angenehme Sache war und all diese Diätbücher zwangsläufig scheitern mussten.
    »Jedenfalls«, fuhr Jamie fort, »sind Sie, Sally, schon lange genug in der Gesellschaft von Schriftstellern, dass Sie sich denken können, dass am Bücherschreiben absolut nichts Geheimnisvolles ist. Oder ein Trick, irgendein Trick, den Saul oder Ned Ihnen vielleicht verraten würden, und schon könnten Sie’s auch!«
    Sallys Gesicht wurde flammend rot. Sie musste sich eingestehen, dass sie genau das gedacht hatte. Selbstverständlich wehrte sie es entrüstet ab. »Talent. Man muss Talent haben.«
    »Was zum Teufel das auch immer sein mag. Dieses Dessert – himmlisch!« Jamie ließ nicht locker. »Sie nehmen Ihren linierten Schreibblock heraus, den Stift und fangen einfach an.« Sie kritzelte mit der Hand in die Luft.
    »Moment mal, Jamie.« Sally wurde schon ganz aufgeregt. »Man muss aber doch zumindest eine gewisse Vorstellung haben.«
    Jamie kaute genüsslich ihre Feigen mit Grand Marnier, während sie Sally musterte. Dann schluckte sie und sagte: »Von was? Mit einer Vorstellung habe ich noch nie im Leben ein Buch angefangen. Wenn man einen Krimi schreiben will, fängt man einfach mit einer Leiche an, die über dem Hoftor hängt, und wenn der Schauplatz England ist, macht man eine alte Steinmauer draus.«
    »Bei Ihnen klingt es so verdammt einfach.«
    »Ich habe nicht behauptet, dass es einfach ist, Menschenskind! Versuchen Sie mal, eine Leiche zu beschreiben, die über eine Steinmauer geworfen wurde, dann werden Sie schon sehen, dass es nicht einfach ist. Mein neues fängt mit einer zerstückelten Leiche in einem Ruderboot an. Ich fürchte nur, das habe ich von P. D. James geklaut. Das wäre das Letzte.«
    »Was ist
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