Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grieche sucht Griechin - Grotesken

Grieche sucht Griechin - Grotesken

Titel: Grieche sucht Griechin - Grotesken
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
Vom Netzwerk:
seine Geheimordre.
    Pipi le Lis erreicht die Platzmitte. Da rollt ihm ein Kinderball vor die Füße. Er hebt ihn auf und wirft ihn einem Mädchen zu.
    Das kleine Mädchen lacht den Gangsterkönig an. Pipi le Lis wird wunderlich zu Mute. Er setzt sich auf eine Bank mitten auf dem Platz, lächelt hilflos zurück. Das Mädchen setzt sich auf seine Knie. Pipi le Lis wird gerührt, putzt sich die Nase.
    Der Gangsterkönig ist mit Kindern und Tauben bedeckt. Selig erzählt er den Kindern Märchen. Die Versuchung des Guten war zu groß. Die Gangster warten und warten. Sie wissen nicht, was sie tun sollen. Es wird Mittag, ein Uhr, zwei Uhr.
    Mister X kommt aus dem Zäzilienstiftchen, um sich auf einen Spaziergang zu begeben. Er sieht die Kinder, den Märchen erzählenden Gangsterkönig. Mister X macht Zauberkunststük-ke. Die Kinder und Pipi le Lis klatschen Beifall. Ringelreihen des Mister X und Pipi le Lis’ mit den Kindern. Die Gangster mit ihren Maschinenpistolen sind verzweifelt.
    Bébé la Rose beschließt, allein vorzugehen. Er schleicht durch ein Fenster ins Stiftchen hinein. Pipi le Lis und Mister X
    sind Freunde geworden und haben sich in das Zimmer von Mister X begeben, um Schmollis zu trinken. Mister X trinkt Champagner, Pipi le Lis Milch. Sie stoßen an. Bébé la Rose schleicht mit seiner Maschinenpistole durchs Haus. Im Korridor prallt er mit Röschen von den zehntausend Martern zu-144

    sammen, die eine Torte in das Zimmer von Mister X tragen will (Mister X liebt vor allem Torten, die alle die Inschrift tragen müssen: ›Es lebe das Gute‹). Röschen hält die Torte ängstlich umklammert, die beiden fallen langsam auf die Knie.
    Bébé la Rose sieht Röschen von den zehntausend Martern an, und Röschen von den zehntausend Martern sieht Bébé la Rose an. Sie küssen sich.
    Das Gute bricht in die Welt hinein. Das Erlebnis des Taschendiebs Coucou le Lilas. Er stiehlt eine mit fünfzig Tausen-dernoten gefüllte Brieftasche, rein aus Routine. Wie es ihm bewußt wird, will er sie dem Bestohlenen zurückgeben. Dieser weigert sich, das Geld anzunehmen. Wenn Coucou le Lilas schon stehlen müsse, werde er das Geld auch nötig haben. Die beiden Boxer, die sich nicht mehr boxen wollen. Usw.
    Die Domina findet in der Kammer Röschen und Bébé schlafend. An der Wand hängt die Maschinenpistole mit einer Rose im Lauf. Die Domina ist verzweifelt, sie eilt zu Mister U
    hinauf. Doch da sie die Klingel der Bürotüre zu heftig zieht, ist kein Ton zu hören. Die Klingel reagiert nur bei zaghaftem Klingeln.
    Mister X tut Gutes. In der Stadt Ck … bricht das Paradies aus. Gangster und Polizisten verbrüdern sich, usw. Pipi le Lis als Heilsarmeesoldat. Die Welt steht still, da nur das Gute existiert. Kein Kälbchen kann getötet, keine Ähre geschnitten werden. Die Wirtschaft bricht zusammen, weil der völlige Mangel an Korruption und Börsenschwindel sie stillegt.
    Mister U an seinem Fernsehapparat beschließt einzugreifen.
    Er findet vor der Bürotüre die verzweifelte Domina. Er steigt mit ihr zur Erde hinunter. Gespräch Mister U mit Mister X, der einsieht, daß er wieder zu seiner Arbeit zurückkehren muß.
    Doch solle er, wie Mister U bittet, sie vielleicht lieber nicht so peinlich exakt ausführen wie bisher.
    Mister X nimmt Abschied vom Zäzilienstiftchen. Die Schwestern, die Kinder winken und singen, auch die getröstete 145

    Domina.
    Die Welt jedoch verwandelt sich zurück. Pipi le Lis wird mitten in einer Heilsarmeeversammlung wieder der alte Gangsterkönig. Er eilt zu seinen Gangstern zurück, um den vom Stiftchen kommenden Mister X in der Metzgergasse zu überfallen. Tritt ihm mit der Maschinenpistole entgegen, worauf Mister X vor den Augen der entsetzten Gangsterkollegen mit Pipi le Lis in die Tiefe fährt. Nur eine kreisrunde Öffnung bleibt in der Straße zurück, woraus einige pechschwarze Wölkchen in die Höhe streben.
    Röschen von den zehntausend Martern und Bébé la Rose aber verwandeln sich nicht mehr zurück und wandern davon.

    146

    Nachrichten
    über den Stand
    des Zeitungswesens
    in der Steinzeit
    1949

    147

    Die jetzige Menschheit macht sich von der Zeit, in der ich gelebt habe, ein ebenso unrichtiges wie merkwürdiges Bild.
    Man glaubt, die Steinzeit sei ein primitives Zeitalter gewesen, und vergißt, daß die grundlegenden Erfindungen und Entdek-kungen, die man heute als selbstverständlich hinnimmt, damals gemacht worden sind. Die Zeichnungen an den Wänden unserer Höhlen haben zwar einiges
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher